Was man im Seminar und Institut nicht über das Neue Testament lernt


Rund 100 Jahre Bibelforschung haben zahlreiche Erkenntnisse (manche davon durchaus umstritten) geliefert darüber, wer die vermeintlichen Verfasser des Neuen Testaments sind und worin sie sich unterscheiden im Hinblick auf das Leben Jesu sowie wichtigen Lehren. Wie ist der Kanon entstanden bzw. was gibt es an außerkanonischen Schriften? Was kann man über den historischen Jesus rekonstruieren sowie darüber, wie das Christentum entstanden ist? In der Kirche Jesu Christi werden diese Erkenntnisse weitestgehend ignoriert oder gar verteufelt. Einige der Erkenntnisse sind (nach Bart D. Ehrmans Buch 'Jesus im Zerrspiegel'):

Keines der Evangelien wurde von Augenzeugen geschrieben, sondern frühestens 35 bis 40 Jahre nach Jesu Tod. Die Evangelien wurden erst rund 100 Jahre danach Verfassern zugeschrieben, um ihnen stärkere Autorität zu verleihen. Wir wissen jedoch nicht, wer sie wirklich verfasst hat (sie wurden anonym verfasst und sprechen von den Jüngern Jesu in der dritten Person). Das Johannes-Evangelium wurde zwar voraussichtlich von einem Johannes geschrieben, dieser war jedoch nicht mit dem Lieblingsjünger Jesu identisch (siehe Joh. 21:7,24). Die ursprünglichen Jünger sprachen nur aramäisch und waren mit großer Wahrscheinlichkeit Analphabeten, die Autoren der Evangelien hingegen hochgebildet und griechischsprachig.

Markus wurde wahrscheinlich als erstes geschrieben (65-70 n.Chr.). Die letzten 12 Verse in Markus zur Auferstehung wurden von einem anderen Schreiber hinzugefügt. Matthäus und Lukas nutzten Markus als Quelle und wurden 15-20 Jahre später geschrieben. Johannes kam noch einmal später hinzu (90-95 n.Chr.).

Bei Markus und Johannes tritt Jesus erst als Erwachsener auf den Plan. Bei Matthäus gibt es keine Hirten bei Jesu Geburt, dafür aber weise Männer, die kommen, um Jesus anzubeten. Bei Lukas gibt es keine Weisen, dafür aber Hirten, die kommen, um Jesus anzubeten. Eine landesweite Volkszählung wird nirgends erwähnt und schon gar nicht bei der die Menschen in ihre Herkunftsstadt zurückkehren mussten. Matthäus und Lukas haben vermutlich unterschiedliche Geschichten konstruiert, um zu zeigen, dass wie nach Micha der Retter aus Bethlehem kam, obwohl Jesus bekanntermaßen aus Nazareth kam.

Bei Markus geschieht die Tempelreinigung zwei Wochen vor Jesu Tod, bei Johannes am Anfang Jesu öffentlichem Auftreten. Bei Johannes erzählt Jesu kein einziges Gleichnis, treibt keine Dämonen aus, wird nicht getauft und führt nicht das Abendmahl ein. Nur bei Johannes wird deutlich, dass Jesus der Retter und der Herr ist, die Inkarnation eines präexistenten göttlichen Wesens. Während Jesus bei Markus von Gott und dem kommenden Reich spricht (welches noch während der Lebenszeit der Jünger kommen sollte), spricht er bei Johannes praktisch nur von sich selbst. Während Matthäus Wunder als Zeichen ablehnt, begrüßt Johannes diese.

Die Geschichte mit Jesus und der Ehebrecherin in Johannes, wonach er die Ankläger mit der Aussage verschämt haben soll, wer ohne Sünde sei, werfe den ersten Stein, ist in den ersten Manuskripten nicht enthalten und wurde später hinzugefügt.

Nach Markus stirbt Jesus morgens am Passahtag, bei Johannes am Nachmittag des Vorbereitungstags für das Passah. Johannes wollte damit wahrscheinlich zeigen, dass Jesus das Opferlamm war und starb als im Tempel die Passahlämmer geschlachtet wurden.

Nach Markus hat Jesus fast nichts bei seinem Prozess gesagt, bei Johannes hält er lange Reden. Nur bei Johannes erklärt Pilatus Jesus für unschuldig und gibt damit den Juden die volle Schuld.
Bei Markus stirbt Jesus qualvoll und im Ungewissen über den Grund seines Todes, um zu zeigen, dass Gott im Hintergrund arbeitet und letztlich Leid zu Heil wandelt, auch wenn dies im Moment nicht erkennbar ist. Bei Lukas hingegen ist er souverän und stark, immer der Gegenwart Gottes in seinem Leben gewiss.

Die 4 Evangelien widersprechen sich in fast allen Details zur Auferstehung: Wer ging zum Grab? War der Stein schon weggerollt? War dort ein Engel? Was wurde ihnen gesagt?

Von den 14 Paulus zugeschriebenen Briefen wurden nur 7 von Paulus verfasst (Römer, 1. Und 2. Korinther, Galater, Philipper, 1. Thessalonicher und Philemon), die anderen sind gefälscht. Der Jakobusbrief wurde zwar von einem Jakobus geschrieben, aber es muss nicht der Bruder Jesu gewesen sein. Und auch von der Johannesoffenbarung wissen wir nicht, wer dieser Johannes war. Der Hebräerbrief sowie die Johannesbriefe wurden anonym verfasst. Hebräer stammt mit großer Sicherheit nicht von Paulus. Und der Verfasser des ersten Petrusbriefs hat nicht den zweiten geschrieben. Beide sind vermutlich ebenso Fälschungen wie einige der Paulusbriefe.

Im ersten Evangelium (Markus) wird Jesus als reiner Mensch porträtiert, beim folgenden Lukas ist er bereits ein Halbgott und bei Johannes schließlich sogar gleichgestellt mit Gott - also eine stetige Entwicklung der Lehre über die Zeit hinweg.

Die Art der Porträtierung von Jesus, der auf wundervolle Weise gezeugt wurde, Wunder vollbrachte wie Heilungen und Totenerweckungen und nach dem Tod in den Himmel aufgefahren ist, war in der damaligen Zeit nicht ungewöhnlich (siehe Apollonius von Tyana) und entsprach der verbreiteten heidnischen Vorstellung eines Halbgottes.