Meine Top 10 Kritikpunkte an der Kirche


10. Die Kirche ist langweilig. Die meisten Themen und Ansprachen sind oberflächlich und immer und immer wieder das Gleiche. Die Leitfäden sind weichgespült. Die Abendmahlsversammlung erlaubt wenig Abwechslung vom Standardprogramm: zwei Kurzansprachen, Zwischenlied, Schlussansprache. Warum nicht mal wenigstens ein paar Trommeln und eine E-Gitarre?

9. Die Kirche fördert eine exklusive Haltung. Wir sind die einzig wahre Kirche. Wir alleine haben die Vollmacht Gottes. Wir müssen uns vor der Welt da draußen schützen, die immer schlechter wird. Obwohl Menschen in anderen Kirchen vergleichbare geistige Erlebnisse haben. Da ist es doch arrogant zu sagen, bei ihnen würde der Heilige Geist nur den Wahrheitsanteil bestätigen, bei uns aber das volle Paket. Letztlich würde der Heilige Geist somit ja Millionen von Menschen in gewisser Hinsicht in die Irre führen. Zumindest ist es heikel zu sagen, weil ich in der Kirche, im Tempel oder beim Lesen im Buch Mormon ein gutes Gefühl habe, ist gleichzeitig auch die komplette Geschichte von Joseph Smith bis Thomas S. Monson wahr (und alle problematischen Aspekte und gegenteiligen Hinweise können getrost ignoriert werden).

8. Die Kirche ist ein Konzern. Warum muss die Kirche Dutzende Unternehmen wie Versicherungen besitzen und Hunderte Millionen Dollar für ein Shopping-Center oder Millionen für eine juristische Lehranstalt ausgeben?

7. Die Kirche fördert Diskriminierung. Im Buch Mormon wird noch immer dunkle Hautfarbe als Fluch Gottes hingestellt. Und noch immer hat sich die Kirche nicht für die Diskriminierung von Schwarzen entschuldigt. Noch immer kursieren Vorstellungen, dass die Schwarzen im vorirdischen Dasein weniger glaubenstreu gewesen seien oder dass Mischehen Sünde sind. Aktuell geschieht ähnliches mit Homosexuellen. Hinzu kommt die immer noch vorherrschende Betonung des Patriarchats.

6. Die Kirche ist gegen die Wissenschaft. Die Kirche propagiert den Glauben an die Schöpfung vor rund 6.000 Jahren (LuB 77:6), einen buchstäblichen Adam als ersten Menschen (LuB 27:11), globale Flut (LuB 138:41, Alma 10:22), Sprachenverwirrung beim Turmbau zu Babel (Ehter 1:3-5), den wundersamen Auszug aus Ägypten durchs Rote Meer (LuB 8:3) usw. Und die buchstäbliche Bibelgeschichte müssen Mormonen ja noch toppen, da Adam in Amerika wohnte und so die Flut Noach von Amerika in den Nahen Osten bringen musste, wo die Jarediten dann nach dem Turmbau wieder hin zurückkehrten. Oder so einen Unsinn, dass die verlorenen 10 Stämme unter dem Nordpol leben und irgendwann daraus zurückkehren (LuB 110:11; 133:2), dass Satan das Wasser regiert und auf Handschlagsversuche reinfällt, das Licht der Sonne eigentlich von Kolob stammt und vieles mehr.

5. Die Kirche fördert Äußerlichkeiten und Konformität. Als ob es Gott interessiert, wie viele Ohrringe Frauen tragen oder wie lange der Rock ist und ob die Kotletten zu lang oder gar Bärte das Gesicht maskieren. Dadurch werden Jugendliche programmiert, andere auf Äußerlichkeiten hin zu prüfen und zu bewerten. Dies führt letztlich dazu, dass Frauenkörper primär als sexuelle Objekte gesehen werden. Und das wiederum mag eine Erklärung dafür sein, dass Utah die höchste Rate von Online-Pornografie-Nutzung in den USA hat und Salt Lake City mehr Schönheitschirurgen pro Einwohner als New York and Los Angeles (es ist nämlich okay große Brüste zu haben aber nicht ok kurze Röcke zu tragen, um anziehend zu wirken).Immer wieder wird Gehorsam eingefordert. Der Gipfel davon war ja Apostel Bednars Ansprache, wo er einen jungen Mann gratulierte, der die Verlobung auflöste, weil das Mädchen die zweiten Ohrringe nicht entfernt hatte, nachdem der Profet nur ein Paar Ohrringe als akzeptabel erklärt hatte. War für ein Irrsinn angesichts der wirklichen Probleme in der Welt!

4. Die Kirche entmutigt offene Auseinandersetzung mit kritischen Themen.Nur die allerwenigsten Mitglieder haben Interesse daran, mehr über die Geschichte ihrer Kirche herauszufinden. Das ist doch merkwürdig? Stattdessen werden unermüdlich Glaubensbekenntnisse rezitiert. So kann man Jahrzehntelang Mitglied sein, jeden Sonntag in die Kirche gehen, Seminar und Institut haben ohne den modernen Erkenntnissen der Bibelforscher etwas zu erfahren oder gar den unterschiedlichen Berichten von Joseph Smiths erster Vision. Sobald kritische Stimmen geäußert werden, droht der Gedanke des Glaubensabfalls. Alles, was nicht offiziell von der Kirche herausgegeben wird, ist suspekt und darf im Unterricht nicht verwendet werden. Bloß keine neuen Ideen aufkommen lassen oder Dinge hinterfragen. Und Zweifel sind ein Zeichen persönlicher geistiger Schwäche oder Entspringen gar dem Wunsch zu sündigen.

3. Die Kirche steht im Konflikt mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Fakten. Die nachprüfbaren Fakten hinsichtlich der Übersetzungen Joseph Smiths zeigen, dass diese nicht von alten Quellen abstammen. Die Papyri, von denen angeblich das Buch Abraham übersetzt wurde, wurden wiederentdeckt, übersetzt und haben nichts mit dem Inhalt des Buch Abrahams zu tun. Das von Joseph Smith konstruierte äqyptische Alphabet zeigt sich als Irrtum, ebenso wie seine Aussage, die Kinderhook-Platten stammten von einem äqyptischen Pharao. Und DNA-Analysen zeigen, dass die amerikanischen Indianer keine Verbindung zum Nahen Osten aufweisen, das Buch Mormon demnach bestenfalls inspirierte Fiktion ist. Plötzlich sollen die Nephiten und Lamaniten nur in einem winzigen Gebiet in Amerika gelebt haben. Wie dann allerdings der von Joseph Smith identifizierte Krieger Zelph in Nordamerika auftauchte, bleibt ein Rätsel.

2. Die Kirche offenbart nichts Neues mehr. Seit Joseph Smith haben wir eigentlich keine Offenbarung mehr von unseren Profeten, Sehern und Offenbarern erlebt. Brigham Youngs Lehren vom Beginn des Milleniums, von der Blutsühne und Adam-Gott oder der Prophezeiungen hinsichtlich der Schwarzen will man wohl kaum noch als Offenbarungen sehen. Wilford Woodruffs Erklärung zur Beendigung der Polygamie hat wenig von einer Offenbarung (man lese nur mal den Text). 1975 wurde die Vision Joseph F. Smiths von 1918 als LuB 138 aufgenommen. Allerdings steht diese im Widerspruch zu den Aussagen in den Heiligen Schriften und anderer Profeten. Denn darin heißt es, dass Christus nur die Rechtschaffenen in der Geisterwelt besucht habe. Joseph Smith und Brigham Young hatten explizit das Gegenteil behauptet. Die Aufhebung des Priestertum-Banns für Schwarze unter Spencer W. Kimball könnte man als Offenbarung verstehen. Die Erklärung zu Familie wird zwar von einigen Mitgliedern als Offenbarung gesehen, eine solche Aussage wurde jedoch aus Präsident Packers Konferenzansprache entfernt. Wirklich neue Lehren kamen seit Joseph Smiths Zeit nicht zu Tage. Und wenn man die Konferenzansprache von Gordon B. Hinckley im April 2003 zum Irakkrieg liest, vermisst man jedwede klare Aussage oder gar Kritik an der Regierung wie unter den alttestamentlichen Profeten üblich. Nichtsdestotrotz sind viele Ratschläge bei Generalkonferenzen gut, aber eigentlich hat sich die Welt seit Joseph Smith so sehr verändert wie nie zuvor; und doch gibt es nichts an neuer Offenbarung dazu. Und angesichts haufenweiser problematischer Äußerungen von Aposteln und Profeten - man denke nur an Joseph Fielding Smiths Äußerungen zur Evolution oder Ezra Taft Bensons Hasstiraden bei Generalkonferenzen gegen den Kommunismus - wird dennoch immer wieder eingetrichtert: "Folgt dem Profeten".

1. Die Kirche ist unehrlich. Die Kirche lehrt eine stark geschönte Version seiner Geschichte. Zu den unter den Teppich gekehrten Schwierigkeiten zählen (es wird natürlich nicht komplett verheimlicht siehe Joseph Smith Papers - aber sehr geschickt: wer kann sich die schon leisten und wird tausende Seiten lesen?):
  • Joseph Smith hatte zu Lebzeiten mehr als 30 Frauen, darunter viele sehr junge oder bereits verheiratete, von denen seine erste Frau Emma nur teilweise wusste.
  • Joseph Smiths Familie war intensiv in abergläubische und okkulte Praktiken involviert, wozu vielfache und teilweise absurde Visionen von Geistern, Engeln und Schätzen gehörten.
  • Joseph Smith war mitverantwortlich für die Verbrechen der Danites, die in Missouri geplündert und gemordet haben.
  • Joseph Smith hat sich als Oberhaupt des geheimen Rates der Fünfzig zum König Israels auf der Welt ausrufen lassen.
  • Joseph Smith hat die goldenen Platten nicht für die Übersetzung verwendet, sondern sein Gesicht in einem Hut verborgen, worin sich ein Seherstein befand, den er Jahre zuvor in einem Brunnen gefunden hatte.
  • Joseph Smith hat die Erscheinungen von Moroni und Johannes dem Täufer zunächst als Visionen bzw. Träume beschrieben und erst später als physische Ereignisse. Ebenso gaben Zeugen des Buch Mormons zu, die Platten nur mit ihrem geistigen Augen gesehen zu haben.
  • Joseph Smith hat das Freimaurertum als göttlichen Ursprungs gesehen und daher nahezu alle Mitglieder in Nauvoo zu Freimaurern werden lassen. Und davon große Teile der Tempelzeremonie entnommen.
  • Der Rat der Zwölf hatte eigentlich keine Vollmacht über die organisierten Pfähle der Kirche und somit auch die Ältesten. Daher machte Brigham Young nach Joseph Smiths Tod kurzerhand alle 2.000 Älteste zu Siebzigern.
  • Joseph Smith und Brigham Young lehrten das Prinzip der Blutsühne, wonach das Sühnopfer für bestimmte Sünden nicht ausreiche und sie daher getötet werden müssten. Dies wurde in Utah vielfach praktiziert.
  • Joseph Smith hat Alkohol getrunken, eine Bar unterhalten und sogar noch in Carthage kurz vor seiner Ermordung eine Flasche Wein geteilt.
  • Brigham Young ließ im Tempel jahrelang im Anschluss an die Begabung lehren, dass Gott Vater und Adam die gleiche Person sei.
  • Brigham Young erklärte Sklaverei als göttliches Prinzip, legalisierte Sklaverei in Utah und hielt selber Sklaven.
  • Wichtige Tempelpraktiken wie die zweite Salbung werden nicht mehr praktiziert oder wurden in erheblichem Umfang verändert. Nur Wenigen ist bewusst, dass gewisse Handzeichen noch daran erinnern, dass ursprünglich geschworen wurde, dass man sich den Hals von Ohr zu Ohr durch- oder die Gedärme rausschneiden würde.
  • Und vieles, vieles mehr.

Wie alles begann

Zu den Grundpfeilern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage / Mormonen, die verschönt, vereinfacht und mythologisiert dargestellt werden, gehören:
  • Joseph Smiths Erste Vision
  • Erscheinung Moronis
  • Übersetzung des Buches Mormon von den Goldenen Platten
  • Übertragung von Priestertumsvollmacht durch Johannes den Täufer sowie Petrus, Jakobus und Johannes

Joseph Smiths Erste Vision

1830 erstes kurzes Statement jetzt in LuB 20:5, „dass er Vergebung seiner Sünden empfangen hatte“.

1832 erster Bericht Joseph Smiths:
„…Ich schrie zum Herrn um Gnade, denn es gab niemanden anderen, an den ich mich wenden konnte, um Gnade zu erlangen, und der Herr hörte meine Schreie in der Wildnis, und während ich so den Herrn in meinem 16. Lebensjahr anrief, kam von oben eine Säule aus Licht, heller als die Mittagssonne, und ruhte auf mir und ich wurde mit dem Geist Gottes erfüllt und der Herr öffnete mir die Himmel und ich sah den Herrn und er sprach zu mir und sagte: Joseph, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben, gehe deines Weges, wandle in meinem Gesetz und halte meine Gebote. Wahrlich, ich bin der Herr der Herrlichkeit, ich wurde für die Welt gekreuzigt, damit alle, die an meinen Namen glauben, ewiges Leben haben mögen. Siehe, die Welt liegt jetzt in Sünde und nicht einer tut Gutes, sie haben sich vom Evangelium abgewandt und halten meine Gebote nicht, sie nähern sich mir mit ihren Lippen, aber ihre Herzen sind weit von mir und mein Zorn ist gegen die Einwohner der Erde entbrannt, ich werde sie wegen ihrer Gottlosigkeit heimsuchen und das zustande bringen, was ich durch den Mund der Propheten und Apostel gesprochen habe. Wahrlich, ich komme schnell, wie es von mir geschrieben steht, in einer Wolke, umhüllt von der Herrlichkeit meines Vaters. Und meine Seele war mit Liebe erfüllt und viele Tage lang konnte ich mit großer Freude jubeln und der Herr war mit mir. Aber ich konnte niemanden finden, der die himmlische Vision glauben wollte.“

Was hieraus hervorgeht ist:
  • Joseph sah die Erscheinung als persönliche Bekehrung und nicht als Berufung zu irgendeinem Werk.
  • Josephs Motivation war, Vergebung für seine Sünden zu erlangen und nicht herauszufinden, welche Kirche richtig sei.
  • Joseph berichtet von der Erscheinung des Herrn und nicht von Gott Vater und Sohn.

Drei Jahre später hatte sich seine Geschichte schon leicht geändert:
"Verwirrt in meinem Geist in Bezug auf den Gegenstand der Religion und die verschiedenen Systeme betrachtend, die den Kindern der Menschen gelehrt werden, wusste ich nicht, wer Recht hatte oder Unrecht hatte und ich hielt es von höchster Wichtigkeit, dass ich Recht habe in Angelegenheiten, die von ewigen Auswirkungen sind. Da ich so ratlos war, zog ich mich in den stillen Hain zurück und neigte mich nieder vor dem Herrn ... Ich rief den Herrn zum ersten Mal an dem oben genannten Ort an oder in anderen Worten ich machte einen vergeblichen Versuch zu beten ... Ich rief den Herrn in machtvollem Gebet an, als eine Feuersäule über meinem Kopf erschien, sie sank auf mich herab und erfüllte mich mit unaussprechlicher Freude, eine Person erschien in der Mitte dieser Flammensäule, die rundum verteilt war, und doch nichts versenkte, ein anderer Person erschien bald wie die erste, sie sprach zu mir: „Deine Sünden sind dir vergeben“. Er bezeugte, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist; und ich sah viele Engel in dieser Vision. Ich war ungefähr 14 Jahre alt, als ich diese erste Mitteilung erhielt. Als ich etwa 17 Jahre alt war, sah ich eine weitere Engelsvision in der Nacht, nachdem ich mich ins Bett zurückgezogen hatte..."

Die wichtigsten Inhalte:
  • Verwirrt über Religion  
  • Alter 14 (1820)  
  • Vision von zwei unidentifizierten Personen
  • Der Sprecher war weder Jesus noch Gott Vater, da er von Jesus als Sohn Gottes Zeugnis ablegte (beides als dritte Personen) 
  • Sah viele Engel
  • Ihm wurde gesagt, seine Sünden seien vergeben
  • Mit 17 hatte er eine weitere Vision

Spielte sich die Vision zunächst  in Josephs Geist ab, wurde die Vision nun schon viel realer als wirkliche Erscheinung dargestellt.

1838 verfasst Joseph Smith eine neue Version, die jetzt offiziell als Joseph Smiths Lebensgeschichte gilt. Darin wird die Erste Vision umgedeutet, spektakulärer dargestellt und in Beziehung zu religiösen Erweckungsbewegungen in der Gegend gesetzt. Da das Erlebnis nicht wirklich außergewöhnlich und als rein persönlich gesehen wurde, spielte die Erste Vision in der Kirche vor 1838 keine Rolle. Wie LuB 20:6-11 zeigt, wird Joseph Smiths Autorität und Beginn seiner Berufung auf das Erscheinen Moronis und die Übersetzung des Buches Mormon zurückgeführt.

Was hatte sich also 1838 verändert?

Ende 1837 bis April 1838 fand ein dramatischer Abfall von der Kirche statt (rund 15% verließen die Kirche), da die Kirtland Bank zusammengebrochen und Martin Harris verkündet hatte, keiner der Zeugen des Buches Mormon habe die Platten mit seinen natürlichen Augen gesehen. Unter diesen Umständen wurde zunächst die Kirche umbenannt und am darauf folgenden Tag begann Joseph Smith, seine Geschichte neu zu diktieren, wie es dort heißt „Infolge der vielen Gerüchte, die von übelgesinnten und hinterhältigen Leuten über Entstehung und Fortschritt der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in Umlauf gesetzt worden sind und die alle von ihren Urhebern ersonnen worden sind, um der Kirche als solcher und ihrem Fortschritt in der Welt entgegenzuwirken.“

Übertragung der Priestertumsvollmacht

Ein ähnliches Phänomen wie hinsichtlich der Ersten Vision lässt sich bei den Berichten zum Erscheinen Johannes des Täufers sowie von Petrus, Jakobus und Johannes zur Übertragung von Priestertumsvollmacht erkennen: Was als spirituelles Erlebnis begann, wurde später eindrucksvoller und als reales Erscheinen ausgegeben. Vor 1834 wurde nur davon gesprochen, dass Joseph und Oliver das Gebot und die Vollmacht zur Taufe durch den Urim und Thummim während der Übersetzung von 3. Nephi aus dem Buch Mormon erhielten. Die Vollmacht zur Ordinierung als Älteste soll im Hause Whitmer durch die Stimme des Herrn erteilt worden sein. 1834 spricht Oliver Cowdery dann plötzlich davon, dass sie das Priestertum durch Engel erhalten hätten, während sie eine Vision hatten. Genauso hätten sie am Flußufer Satan als Engel des Lichts gesehen und Michael, der ihn vertrieben hat. Und schließlich wurde es als physisches Erscheinen von Engeln mit Händeauflegen erklärt.

Was war wiederum der Grund für den Wandel?

Ende 1833 hatten im Zusammenhang mit dem Misserfolg des Zions-Camps mehrere Mitglieder die Vollmacht Joseph Smith öffentlich angezweifelt und Untersuchungen hinsichtlich der Vergangenheit Joseph Smiths als Schatzsucher gestartet. Folglich wurden die dazugehörigen Verse in LuB 27:8 und LuB 7 nachträglich hinzugefügt, denn in der Ausgabe von 1833 waren sie noch nicht enthalten.

Die Zeugen der Goldenen Platten

Auch das Zeugnis der 11 Zeugen im Hinblick auf die Goldenen Platten ist nicht so buchstäblich zu verstehen, wie es dargestellt wird. Alle 11 Zeugen teilten eine magische, aus heutiger Sicht abergläubische Weltsicht mit Hexen, Geistern, magischen Ritualen, Amuletten, Flüchen usw. Martin Harris hat auch bezeugt, bei einer Schatzsuche 1827 eine Schatzkiste mit Porter Rockwell zusammen gefunden zu haben, die durch unsichtbare Mächte wieder ins Erdreich hinabgleitete. Mit Hilfe von Sehersteinen wurden derartige Schätze und ihre Schutzgeister angeblich in den Hügeln gesichtet. An Ort und Stelle wurden dann magische Kreise mit speziellen Dolchen um die vermeintlichen Fundorte gezogen und mit durch Hühnerblut oder Schweinekot getränkte Stöcke abgesichert, so dass die wachenden Geister diese nicht entfernen könnten. Genauso glaubte Oliver Cowdery, durch Wünschelruten ebenfalls Geheimnisse lüften zu können. Zusammen mit David Whitmer hatten sie angeblich einen Nephiten mit Aufzeichnungen herumlaufen sehen. Ebenso besaß Hiram Page Sehersteine. David Whitmer behauptete noch in den 1870er Jahren, sein Enkel könne Schätze in Höhlen sehen sowie am Nordpol Riesen und am Südpol Lilliputaner. Kurzum alle Zeugen glaubten an Hellsehen und das zweite Gesicht und hatten diverse angebliche Erfahrungen mit Indianer- und Piratengeistern, Engeln und unterirdischen Schatzkammern mit Büchern und Schätzen. Angeblich konnten sie im Hügel Cumorah Wagenladungen voll mit Aufzeichnungen und Gold sehen. Das haben Heber C. Kimball und Brigham Young bestätigt. Und auch William W. Phelps erzählt davon, dass Joseph, Hyrum, Oliver Cowdery und die Whitmers zum Hügel Cumorah liefen, sich eine Tür öffnete und sie in einen Raum traten mit den Goldenen Platten, dem Schwert Labans usw. David Whitmer spricht davon, dass sie im Geist Dinge sehen konnten als seien sie tatsächlich da. So konnte auch James Strang nach dem Tod Joseph Smiths sieben Zeugen finden, die bestätigten, dass er genau wie Joseph Platten gefunden hatte (als Buch des Gesetzes des Herrn angeblich übersetzt). Zunächst konnte er auch mehrere der Zeugen des Buch Mormons als Anhänger gewinnen.

Dies zeigt, dass man die Zeugenaussagen mit Vorsicht betrachten und die abergläubische Weltanschauung der Zeugen berücksichtigen muss.

Als sich die Anhängerschaft Joseph Smiths über seine Schatzsucher-Gruppe hinaus ausweitete, wurden die magischen Anfänge und Hinweise mehr und mehr zurückgedrängt und nachträglich entfernt. So wurde beispielsweise aus der Offenbarung an Oliver Cowdery hinsichtlich seiner göttlichen Gabe die Worte bzgl. Wünschelruten entfernt.

Übersetzung des Buch Mormons

Der Aberglaube von Joseph Smith und seiner Familie zeigt sich auch im Bericht vom Erlangen der Goldenen Platten. Joseph Smith war so eine Art Hellseher der Gegend und leitete die Schatzsuch-Expeditionen an, wurde jedoch auch bei verlorenen Pferden usw. konsultiert.  Die Erscheinung Moronis und der Bericht von verborgenen Aufzeichnungen war keine Überraschung. Joseph Smith hatte mit seinem Seherstein im Hut ständig Visionen und Träume von verborgenen Schätzen. Und nach Auskunft Oliver Cowderys hatte Joseph Smith am 21. September 1823 intensiv versucht, mit einem überirdischen Wesen in Kontakt zu treten. Warum erinnerte er sich so genau an das Datum? Weil Datum und Uhrzeit eine besondere astrologische und magische Bedeutung hatten. Die weiteren Erlebnisse passen genau in das magische Schatzsucher-Schema:
  • 3 Besuche waren ein Zeichen für die Wichtigkeit und Realität.
  • Um den Schatz zu erlangen, mussten die Regeln genau beachtet werden.
  • 3 Versuche, um den Schatz zu erlangen mit Einjahres-Bewährung.
  • Richtige Begleitung notwendig, um Schatz zu erlangen (erst Alvin, dann Emma – als Alvin Tod war, gab es sogar Gerüchte, die Smiths hätten seine Leiche geschändet, um dadurch den Schatz bergen zu können, was Joseph Smith Sr. in mehreren Zeitungsinseraten bestritt)
  • Richtige Kleidung notwendig (schwarzer Anzug und Pferd).
  • Richtiger astrologischer Zeitpunkt.
  • Die Aufzeichnungen/Schätze werden von Geistern bewacht, die sie ursprünglich vergraben haben (übrigens wurde Moroni als der Engel von 1823 erst 1835 identifiziert - vorher hatte er keinen Namen - und 1838 hat Joseph Smith erklärt, es sei Nephi gewesen).
Nach dem angeblichen Erlangen der Goldenen Platten begann die Verfolgung Joseph Smiths nicht wegen der Behauptung an sich, sondern weil er den ‚Schatz‘ nicht mit seinen früheren Schatzsucher-Kumpanen teilen wollte. Die Übersetzung selber erfolgte mit dem gleichen Seherstein, den Joseph zuvor für die Schatzsuche verwendet hatte, indem er diesen in einen Hut legte, sein Gesicht darin verbarg und dann diktierte. Die Platten selber hat er für die ‚Übersetzung‘ nicht verwendet.

Man sieht also, dass die Ursprünge der Kirche einen magischen Hintergrund haben. So wurde auch die Kirche nicht etwa an einem Sonntag, sondern einem speziellen astrologisch günstigen Dienstag gegründet. Für die ersten Mitglieder der Kirche vermischte sich Traum, Vision und Realität sowie Astrologie, Magie und Religion. Neben der intensiven Mitwirkung an magischen Ritualen und Praktiken war Joseph Smith auch intensiv an der Erweckungsbewegung beteiligt und diente als ‚Ermahner‘ bei den Methodisten.

Ist das Buch Mormon die Übersetzung eines alten Dokuments oder das Produkt Joseph Smiths?

Viele Fachleute sind sich einig: das Buch Mormon ist ein Produkt des 19. Jahrhunderts. Dies insbesondere aus folgenden Gründen:

1. Widersprüche zu archäologischen Funden und Erkenntnissen über die vorkolumbischen amerikanischen Kulturen
  • Keinerlei Hinweise Pferde und Wagen
  • Keine domestizierten Tiere wie die genannten Schafe, Schweine, Rinder (ganz zu schweigen von den erwähnten Elefanten)
  • Keinerlei Hinweise auf Weizen und Gerste
  • In Mesoamerika gab es keine Metallverarbeitung und somit auch keine Schwerter aus Stahl
  • Wein- und Olivenölherstellung war unbekannt (mit dem Gleichnis vom Ölbaum hätte niemand etwas anfangen können)
  • Münzen gab es nicht
  • Keinerlei Hinweise auf hebräischen und ägyptische Sprache
  • Unrealistische Bevölkerungszahlen
  • Unrealistische Zahlen hinsichtlich Truppenstärken (vor Schusswaffen und modernen Logistikmöglichkeiten nie mehr als ein paar Hundert Soldaten in Schlachten)
  • DNA-Analysen zeigen keine semitische Herkunft von Indianerstämmen und Besiedlung vor rund 16 Tausend Jahren
  • Plötzliche Hautpigmentänderung der Lamaniten
2. Verwendung von Phrasen und Zitaten aus der King James Version der Bibel
  • In Moroni 7 findet man die berühmten Worte des Paulus aus 1. Korinther 13
  • Hunderte von Ausdrücken aus der King James Version der Bibel finden sich wieder
  • Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass Jesus die Bergpredigt auf dem amerikanischen Kontinent so wiedergegeben hat, wie sie in Matthäus 5-7 zu finden ist
  • Das Buch Mormon zitiert 433 Verse aus Jesaja, darunter Teile, die erst in der Zeit der Babylonischen Gefangenschaft entstanden sind – also nachdem Nephi und Lehi längst in Amerika waren
3. Christologie und Theologie des 19. Jahrhunderts
  • Fast wortwörtliche Übereinstimmung zwischen dem Westminster Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche von 1729 und Alma 40
  • Mosia und Alma ist voll von der Erweckungs-Rhetorik der 1820er Jahre - bspw. die Rede König Benjamins mit Turm, Predigt von der Nichtigkeit des Menschen bis hin zum Umfallen bei der Bekehrung (diese Rhetorik hatte großen Erfolg in der Bekehrung von Menschen damals und ist eine Erklärung dafür, dass sie uns auch heute anspricht und Christus näher bringt)
  • Theologische Fragen des 19. Jahrhunderts zur Errettung werden adressiert
  • Im Alten Testament unbekannte Lehren über Christus, Auferstehung usw. werden gelehrt
Hätte Joseph Smith das Buch Mormon selbst schreiben können?

Seine Mutter, Lucy Mack Smith, erzählte einmal folgende Geschichte über ihren 18-jährigen Sohn Joseph: „Während unserer abendlichen Unterhaltungen beschrieb Joseph die alten Bewohner dieses Kontinents, deren Kleidung, Art und Weise der Fortbewegung und die Tiere, auf denen sie ritten; deren Städte, Gebäude und dies mit großer Genauigkeit; deren Art der Kriegsführung und auch deren religiöse Verehrung. Dies tat er mit solcher Leichtigkeit, als ob er sein ganzes Leben unter ihnen verbracht hätte.“

Dies war im Jahre 1823, also lange bevor Joseph Smith mit der Übersetzung des Buches Mormon begonnen hatte.

Woher hatte er damals eine Vorstellung vom Leben der alten Indianer?

Nun, zunächst muss man wissen, dass Joseph zwar wenig gebildet aber dafür intelligent war und einiges an Phantasie hatte. Weiterhin gab es zu dieser Zeit eine allgemeine Auffassung über die Herkunft und Lebensweise dieser Menschen, die in etlichen Büchern zu finden war. Viele dieser Bücher waren Joseph Smith bekannt oder zumindest zugänglich. Es ist falsch anzunehmen, dass die Ideen um das Buch Mormon neu oder einzigartig waren. Viele der Bücher dieser Zeit sprachen davon, dass die verlorenen zehn Stämmen die Vorfahren der Indianer seien. Sie berichteten von zwei sich rivalisierenden Gruppen, einer weißen Gruppe, die durch Krieg vernichtet wurde usw.

So unglaublich es für viele Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage / Mormonen klingen mag, aber auch ein Präsident der Siebziger und einer der größten Gelehrten und Historiker der Kirche, B.H. Roberts, kam zur Auffassung, dass Joseph Smith Themen für das Buch Mormon aus anderen Büchern der damaligen Zeit entlehnt haben könnte.
Nachdem Roberts das Buch View of the Hebrews von Ethan Smith studiert hatte, welches 1825 publiziert wurde, zeigte er 18 Parallelen zwischen diesem und dem Buch Mormon auf und schrieb:
„Ein weiteres Thema bleibt hier noch zur Betrachtung übrig… - besaß Joseph Smith eine ausreichend lebhaftes und kreatives Vorstellungsvermögen, um aus solchem Material, wie in den vorangegangenen Kapiteln aufgezeigt, das Buch Mormon zu schreiben…. Dass solche Vorstellungskraft von einer höheren Ordnung stammt wird hier zugestanden und es besteht kein Zweifel, dass Joseph Smith einen solch begabten Kopf besaß…..
Im Licht dieser Beweise kann es keinen Zweifel geben, dass Joseph Smith, der Prophet, im Besitz einer solchen lebhaften, starken und kreativen Vorstellungskraft war. Eine Vorstellungskraft die es ihm ermöglichen würde - mit den Vorstellungen, die im ‘Allgemeinwissen’ über anerkanntes amerikanisches Altertum der damaligen Zeit gefunden wurden, unterstützt durch ein Werk, wie Ethan Smiths View of the Hebrews - ein Buch wie das Buch Mormon zu entwerfen.”

Parallelen zwischen dem Buch Mormon und View of the Hebrews:
  • Dieselbe Herkunft: Die Indianer sind wirklich Israeliten
  • Dieselben Merkmale: Die Indianer waren einst sachkundig in Literatur, Kultur und Religion
  • Die selbe Hervorhebung: Jesaja und die Wiederherstellung Israels
  • Dieselbe Ansicht: Die Amerikaner sind prophetisch berufen, den Indianern das Evangelium zu predigen.
  • Dieselbe Einwanderungsroute: Eine lange Reise nordwärts, finden „Viele Wasser” (Jarediten).
  • Dasselbe Schicksal: Eine Teilung in zivilisierte und barbarische Gruppen. Die Zivilisierten werden schließlich vernichtet.
  • Dieselbe Kultur: Die Ureinwohner Amerikas sollen Menschen der Eisenzeit gewesen sein.
  • Dieselbe Herkunft: Alle Rassen stammen von einer Familie. Alle Sprachen entstammen dem Hebräischen.
  • Dieselbe Religion: Die Vorfahren der Indianer dienten dem Großen Geist aber verfielen dann in Götzendienst.
  • Dieselben Schriften: Ein „verlorenes Buch Gottes”, welches in einem indianischen „Hügel” vergraben wurde.
  • Dieselben Einrichtungen: Militärische und heilige Türme. Von der Monarchie zur republikanischen Regierung.
  • Dasselbe Christentum: Das Evangelium und Christus waren im alten Amerika bekannt.
War Joseph Smith ein Betrüger oder handelt es sich um „inspirierte Fiktion“?

Auch in der Bibel - sowohl im Alten als  auch Neuen Testament - besteht das Problem der Existenz so genannter pseudonymer bzw. pseudographischer Schriften und damit die Frage nach der Authentizität und Wahrheit biblischer Schriften bzw. deren göttliche Inspiration.

Die heutige Bibelforschung nimmt an, dass einige biblische Bücher oder Teile davon, fälschlicherweise den genannten Verfassern zugeschrieben werden. Das heißt, unbekannte Autoren haben die ‚großen‘ Namen wie Mose & Co. genutzt, damit ihre Lehren Beachtung finden. Beispielsweise werden im Alten Testament viele Psalmen, die König David zugeschrieben werden, Deuteronomium sowie das Buch Daniel als Pseudepigraphien gewertet; im Neuen Testament werden manche Briefe aufgrund der im Text angegeben Verfasserangaben zu den Pseudepigraphen gezählt, wie beispielsweise der Kolosserbrief, der angibt, vom Apostel Paulus verfasst worden zu sein. Andere Beispiele sind der Brief des Jakobus, der Judasbrief u.a.

Pseudographie heißt jedoch nicht einfach boshafte Fälschung, um Leser zu täuschen. Man spricht daher bei der religiösen Pseudonymität mitunter von echter religiöser Pseudepigraphie, wenn deren Texte nicht mit einer Täuschungsabsicht entstanden sind. Der Verfasser glaubt, in einem inspirierten mythisch-religiösen Erleben die Worte des Geistes Gottes zu schreiben. Das Erlebnis der Inspiration ist ein legitimer Grund für die Herstellung von Fälschungen: der Schreiber erhält in einer Entrückung, Vision oder Audition einen besonderen Auftrag. Diese Vorstellung ist allerdings schwer mit der Verurteilung von Lüge und Identifikation von Gott mit Wahrheit in Harmonie zu bringen.

Allerdings können Lehren und Geschichten unabhängig von ihrer Historizität einen Wert haben. Beispiel hierfür sind die Gleichnisse und Erzählungen Jesu. So hat die Geschichte vom barmherzigen Samariter einen hohen Wert, auch wenn die Geschichte rein fiktiv also nicht tatsächlich passiert ist. In diesem Fall ist es auch keine Irreführung.

Genauso kann das Buch Mormon wertvoll sein, auch wenn es keinen historischen Nephi und Alma gegeben hat. Voraussetzung wäre jedoch, dass man aufhört, so zu tun, als seien die dort beschriebenen Geschichten tatsächlich geschehen und nicht erst im 19. Jahrhundert im Kopf von Joseph Smith (unter göttlicher Inspiration?) entstanden.

Wenn wir die Geschichten von der Ersten Vision, den Goldenen Platten, der Priestertumswiederherstellung, der Erscheinung Elijahs oder der Initiierung der Mehrehe oder der Tempelverordnungen im Lichte Joseph Smiths Hintergrund als Hellseher und Erweckungsprediger betrachten, kristallisiert sich ein Muster heraus: Joseph Smith hatte ein besonderes Talent bzw. Einbildungskraft, aus seiner Umgebung heraus vorhandene Inhalte als neue "Offenbarungen" zu verpacken bzw. diese so zu erleben. So konnte er ein Skelett beim Zions-Camp als Lamamiten Zelph identifizieren, ein Mäuerchen in Missouri als Opferaltar von Adam, aus der Mäßigungsbewegung das "Wort der Weisheit" machen oder aus dem Freimaurertum die Tempelzeremonien. Und beim Buch Abraham aus der Köstlichen Perle ja ähnlich. Teile des angeblich zugrunde liegenden Pergaments wurden wiedergefunden und von Ägyptologen untersucht. Ergebnis: Hat nichts mit Abraham zu tun und stammt auch nicht aus seiner Zeit. Zufällig hatte Joseph Smith kurz vorher Hebräischunterricht genommen. Und zufälligerweise lassen sich diverse Parallelen darauf zurückführen.

Letztlich erweisen sich Übersetzungsarbeiten Joseph Smiths, für die es nachprüfbare Belege gibt, als äußerst fraglich:
  • Buch Abraham (Teile der Papyrus-Rollen sind wieder aufgetaucht und wurden von Ägyptologen übersetzt; die Texte haben nichts mit dem Inhalt vom Buch Abraham zu tun und stammen auch nicht aus seiner Zeit; es gibt zwei Erklärungsversuche: (1) der übersetzte Teil befand sich nicht auf den wiedergefundenen Teilen oder (2) die Rollen dienten lediglich als Inspirationsquelle und das Buch Abraham wurde offenbart statt übersetzt; (1) macht keinen Sinn, da eines der Faksimiles wiedergefunden wurde und ebenso eine andere Bedeutung hat; (2) macht keinen Sinn, da wiederum die Faksimiles ja "übersetzt" wurden und Joseph im Manuskript die Bedeutung von einzelnen Hierogryphen beschrieben hat, also sich klar auf die Zeichen auf den Rollen bezogen hat)
  • Kinderhook Plates (obwohl um 1980 als Fälschungen bewiesen stammten sie laut Joseph Smith von einem Nachfahren des ägyptischen Pharaos aus dem Stamm Ham)
  • Anthon Manuskript
  • Joseph Smiths ägyptisches Alphabet
... und sein größtes Übersetzungswerk als höchstwahrscheinlich nicht altertümlich.

Bleibt nur die Frage, ob es reine Fantasie war oder göttlich inspirierte kreative Verarbeitung vorhandener Quellen und Ideen. Vieles spricht weniger für Inspiration als für Imagination mit Schriftstellen durchsetzt. Und ein wenig Schwindel war angesichts der nachträglich frisierten Geschichten wohl auch dabei.

Lehre und Bündnisse 132 Teil 1: Polygamie, Polyandrie, Vielehe



In der Einleitung zu LuB 132 heißt es:

„Offenbarung, gegeben durch Joseph Smith, den Propheten, zu Nauvoo, Illinois, aufgezeichnet am 12. Juli 1843; sie bezieht sich auf den neuen und immerwährenden Bund einschließlich der ewigen Natur des Ehebundes und auch einer Mehrzahl von Ehefrauen (History of the Church , 5:501–507). Obwohl die Offenbarung 1843 aufgezeichnet wurde, ergibt sich aus den geschichtlichen Aufzeichnungen, daß die in dieser Offenbarung enthaltenen Lehren und Grundsätze dem Propheten seit 1831 bekannt gewesen waren.“

Schon aus der Einleitung ergeben sich 3 kritische Aspekte:

Erstens: Handelte es sich wirklich um eine klassische „Offenbarung“? Wie ist Abschnitt 132 zustande gekommen? 1843 als Joseph Smith heimlich zig Frauen heiratete und Emma nicht begeistert darüber war (wobei sie nur von wenigen der Heiraten etwas mitbekam), schlug Hyrum seinem Bruder Joseph vor, für Emma hierzu eine Offenbarung durch den Urim und Thummim zu erlangen, um sie für den Grundsatz der Vielehe zu gewinnen. Joseph meinte aber, er bräuchte hierzu keine spezielle Offenbarung und hätte das schon alles parat. Daraufhin diktierte er seinem Schreiber (ohne Urim und Thummim) den in Abschnitt 132 enthaltenen Inhalt (wobei nach Aussage von William Law die theologische Einleitung später hinzugefügt wurde). Hiermit ging Hyrum dann zu Emma und sagte später über Emmas Reaktion, er sei noch nie von jemandem so zusammengestaucht worden wie von Emma.

Zweitens: Der Ausdruck „sie bezieht sich auf den neuen und immerwährenden Bund einschließlich der ewigen Natur des Ehebundes und auch einer Mehrzahl von Ehefrauen“ reflektiert die neuere Interpretation des Abschnitts, täuscht aber darüber hinweg, dass bis Ende des 19. Jahrhunderts der neue und immerwährende Bund mit der Mehrehe gleichgesetzt war. Hätte man 1860 ein Mitglied gefragt, was der neue und immerwährende Bund sei, hätte dieses mit Sicherheit geantwortet: das Prinzip der Polygamie. Heute hingegen wird behauptet, die Verse 3-33 würden sich auf die ewige Ehe beziehen und nur die Verse 1-2 und ab Vers 34 mit der Mehrehe. Dies widerspricht dem ursprünglichen Verständnis und auch dem Beweggrund für die „Offenbarung“. Der Abschnitt wurde übrigens erst 1876 dem Buch Lehre und Bündnisse hinzugefügt, als die Kirche wegen der Vielehe unter Beschuss war, sich aber auf die Religionsfreiheit bei der Praxis berief. Nun gab es in den Schriften nichts, worauf die Kirche sich dabei stützen konnte. Also musste das Prinzip der Vielehe als Lehre in die Heiligen Schriften der Kirche reingebracht werden. Und im gleichen Atemzug wurde dann noch die Passage aus Abschnitt 101 herausgenommen, die da lautete: „Da die Kirche der Sünde der Unzucht und Polygamie beschuldigt worden ist, bestätige ich hiermit, dass ein Mann ein Frau haben sollte und eine Frau nur einen Mann, außer im Todesfall, wenn es beiden freisteht wieder zu heiraten." Dies war Teil der systematischen Leugnung der Polygamie in der Kirche unter Joseph Smith. Diese musste nun also „korrigiert“ werden, um sich auf die Religionsfreiheit berufen zu können.

Drittens: Was sind die Anhaltspunkte dafür, dass die enthaltenen Lehren und Grundsätze schon seit 1831 bekannt gewesen waren? Nun, zu dem Zeitpunkt hatten Emma und Oliver Cowdery Joseph in einer Scheune gesehen, wie er intim mit dem Hausmädchen der Smiths, Fanny Alger, war. Dies wird von einigen Kirchenhistorikern als erste Mehrehe Jospehs gesehen. Oliver Cowdery hingegen betrachtete dies als „dreckige Affäre“.

Den wenigsten Mitgliedern ist bewusst, dass Vers 1 in fundamentalem Widerspruch zum Buch Mormon steht (auch wenn das mosaische Gesetz im AT durchaus Nebenfrauen erlaubte):
Wahrlich, so spricht der Herr zu dir, mein Knecht Joseph: Da du von meiner Hand erfragt hast und wissen und verstehen willst, inwiefern ich, der Herr, meine Knechte Abraham, Isaak und Jakob gerechtfertigt habe, und auch Mose, David und Salomo, meine Knechte, was den Grundsatz und die Lehre betrifft, daß sie viele Frauen und Nebenfrauen gehabt haben—siehe, ja, siehe, ich bin der Herr, dein Gott, und werde dir, was diese Sache betrifft, Antwort geben.

So heißt es in Jakob 2:24:
Siehe, David und Salomo hatten wahrhaftig viele Frauen und Nebenfrauen, und das war ein Greuel vor mir, spricht der Herr.

Es war also ein Greuel vor dem Herrn und nicht etwa gerechtfertigt. Dies zeigt, dass Joseph Smith sich nach der Veröffentlichung des Buch Mormons kaum noch mit dessen Inhalt beschäftigt hat. So gibt es in seinen Reden kaum Zitate aus dem Buch Mormon.
In Jakob 2:30 findet sich bekanntlich auch folgende Ausnahmeregel:
Denn wenn ich, spricht der Herr der Heerscharen, mir Nachkommen erwecken will, so werde ich es meinem Volk gebieten; sonst aber soll es auf dies alles hören.

Allerdings traf diese nicht auf David und Salomo zu. Insofern ist die Aussage von LuB 132:1 im Widerspruch zu Jakob 2:24 unabhängig von Vers 30. Inwiefern die Ausnahmeregel von Vers 30 auf Joseph Smith zutreffen könnte ist strittig, schließlich hat er ja viele Frauen geheiratet, die schon verheiratet waren, und mit den anderen hat er wohl Nächte verbracht, aber keine Kinder gezeugt – zumindest waren Gentests mit möglichen Kandidaten bislang negativ. Insofern führten Joseph Smiths Mehrehen nicht dazu, dass Nachkommen erweckt wurden.

Übrigens hatten viele in der Kirche die Hoffnung, dass Joseph Smiths erstgeborener Sohn im Bund – David – später die Führung der Kirche übernehmen würde. Er hatte von seinem Vater entsprechende Verheißungen erhalten. Allerdings wurde er als Erwachsener in ein Irrenhaus eingeliefert und verbrachte dort den Rest seines Lebens.

Ein weiteres Problem findet sich in Vers 7. Hier wird klargestellt, dass nur Joseph Smith die Siegelungsvollmacht besitzt und auch immer nur einen geben wird, der diese Macht innehat. Mittlerweile hingegen gibt es in jedem Tempel etliche Männer, denen diese Macht übertragen wurde, auch wenn sie nicht die Schlüssel tragen (wobei auch diese mittlerweile nicht nur der Präsident, sondern auch die Zwölf Apostel besitzen sollen).

Das Beste ist jedoch Vers 8, wo es heißt:
Siehe, mein Haus ist ein Haus der Ordnung, spricht der Herr, Gott, und nicht ein Haus der Verwirrung.
In Bezug auf kein anderes Prinzip oder Lehre gibt es vermutlich so viel Konfusion wie die Vielehe. Die Kirche hat noch immer keine klare Stellung dazu bezogen, ob die Vielehe zu späterer Zeit oder im Himmel praktiziert werden wird. Oder ob die Vielehe wirklich vom Herrn geboten und korrekt praktiziert wurde. Es gibt nur die Aussage aus der Amtlichen Erklärung 1:
Da nun der Kongreß Gesetze erlassen hat, die die Vielehe verbieten, und da das höchste Appellationsgericht diese Gesetze als verfassungsgemäß bezeichnet hat, erkläre ich hiermit meine Absicht, mich diesen Gesetzen zu fügen und bei den Mitgliedern der Kirche, deren Präsident ich bin, meinen Einfluß geltend zu machen, daß sie es auch tun.

Vers 16 stellt in Frage, warum heutzutage Siegelungen für Verstorbene durchgeführt werden. Schließlich können laut Vers 16 Tote nicht verheiratet werden. So begannen Siegelungen für Verstorbene oder an Verstorbene auch erst nach Joseph Smiths Tod. Der Hammer ist die Aussage, dass Alleinstehende dann – obwohl fürs celestiale Reich qualifiziert – nur mehr dienende Knechte sein können. Da geht es denen im terrestrialen Reich vermutlich besser. Dies macht auch Joseph Smiths Verklärung des Mittelalters deutlich, denn er sah offensichtlich den Himmel als Zustand, wie sie Adlige im Mittelalter erlebt haben mit Thronen, Reichen und Mächten sowie eben Knechten. Gärtner, Koch und Wäschefrau wären schon toll, aber braucht man die wirklich als Götter, wenn man den Elementen befehlen kann. Oder kann man nur Berge verrücken? Wobei es ja nicht einmal Berge gibt, denn die Erde wird ja wie ein großer Urim und Thummim sein.

Im Ernst: bleiben sich liebende Paare wirklich wie in Vers 17 beschrieben gesondert, nur weil sie nicht im Tempel geheiratet haben? Eine merkwürdige Vorstellung eines liebenden Gottes.

Tröstlich ist hingegen Vers 19, wo es heißt, dass quasi alle, die im Tempel richtig gesiegelt werden, ins celestiale Reich kommen, solange sie keinen Mord begehen, wodurch unschuldiges Blut vergossen würde. Ein Mord mit schuldigem Blut ist also okay. Daher hatte ja vermutlich Joseph Smith auch Porter Rockwell beauftragen können, den Ex-Gouverneur von Missouri zu erledigen, was ihm auch beinahe gelungen war. Und die Greueltaten der von Joseph Smith befehligten ‚Danites‘ waren sowieso in Ordnung. Allerdings muss man nach Vers 26 schon mit einigen Schlägen Satans rechnen. Aber wie soll das genau funktionieren? Satan wird auf irgendeinen anderen Planeten wie dem Mars oder Jupiter verstoßen. Und alle bösen Gesiegelten kommen dann dorthin in eine Art Folterkeller, wo sie werden körperlich, also im Fleisch,  gepeinigt werden (wo doch die katholische Kirche 2007 offiziell die Vorhölle abgeschafft hat). Interessant, dass wir nach der Auferstehung trotz vollkommenem, unsterblichen Körper noch fleischliche Schmerzen erleiden können. Vielleicht werden die Nervenzellen nur vorübergehend aktiviert. Schlimmer noch als diese Ungereimtheiten ist die Vorstellung, dass Leiden eine erlösende Wirkung haben soll. Oder macht Gott das nur, weil ein universelles Gesetz besagt, dass man für Sünden leiden müsse? Oder weil sich sonst die Rechtschaffenen beschweren würden, wenn es keine Strafe für die Sünder gäbe? Dem Bestrafen als erzieherisches Mittel kann ich wenig abgewinnen. Letztlich sorgen noch so viele Schläge nicht dafür, dass Menschen dadurch gut und liebevoll werden. Höchstens dass sie aus Angst vor Strafe sich in bestimmter Weise verhalten. Dieser verkorksten Vorstellung entstammt auch die mittlerweile widerrufene Lehre Joseph Smiths und anschließend insbesondere Brigham Youngs der Blutsühne, wonach Abtrünnige Mitglieder nurmehr dadurch errettet werden können, wenn ihr Blut vergossen wird (denn das Sühnopfer Jesu Christi sei hierfür nicht mehr ausreichend), was die Ermordung mehrerer Abtrünniger, Feinde der Kirche und sogar mehrerer Mitglieder, die in Utah Ehebruch begangen hatten, nach sich zog.

Eine weitere Ausgeburt dieser Idee ist die Lehre etlicher Kirchenführer nach Brigham Young, dass die Kinder von im celestialen Reich gelandeten gesiegelten Paaren ebenfalls errettet werden, auch wenn diese abgefallen sind. Und natürlich müssen die abgefallenen Kinder für ihre Sünden eine zeitlang leiden - egal, welchen Sinn das erfüllen soll. Aber Strafe muss halt sein. Auch hier darf man diese Lehre nicht tiefer hinterfragen, beispielsweise ob das gerecht ist gegenüber den Kindern, die nicht das Glück hatten, glaubenstreue Mormonen-Eltern gehabt zu haben. Oder landen letztendlich doch alle Menschen im celestialen Reich? Das allerdings widerspricht wiederum Vers 22, wonach nur wenige den Weg zur Erhöhung und zur Fortsetzung der Leben finden.Wie Vers 19 erklärt ist das eine Fortsetzung der Samen. Also nur wer mit Partner gesiegelt erhöht wird, kann Geistkinder zeugen, und ist dann ein Gott:
Dann werden sie Götter sein, weil sie alle Macht haben und die Engel ihnen untertan sind. (Vers 20) Erhöhung heißt also, Kinder ohne Ende zeugen und Untertanen haben zu können. Das mit dem Götter werden wird nicht mehr ganz so betont, weil das doch viele Vorwürfe der Gotteslästerung und Anmaßung hervorgerufen hat. Demnach gibt es also viele Götter, aber wir verehren nur unseren jeweiligen 'Erzeuger-Gott'.

In Vers 29 findet sich dann eine weitere problematische Aussage: Abraham ist in seine Erhöhung eingegangen und sitzt auf seinem Thron. Hat denn das Gericht schon stattgefunden? Oder wurde für ihn ein Sondergericht abgehalten? Sollte das Gericht nicht erst nach dem Millenium erfolgen? Wobei das Millenium ja nach Aussage Brigham Youngs mit der Ermordung Joseph Smiths begonnen haben soll.




Lehre und Bündnisse 132 Teil 2: Polygamie, Polyandrie, Vielehe


Vers 34 ist eine Verdrehung der biblischen Aussage von Genesis:
Sarai, Abrams Frau, hatte ihm keine Kinder geboren. Sie hatte aber eine ägyptische Magd namens Hagar. Sarai sagte zu Abram: Der Herr hat mir Kinder versagt. Geh zu meiner Magd! Vielleicht komme ich durch sie zu einem Sohn. Abram hörte auf sie. (16:1-2)
Demgegenüber heißt es in Vers 34:
Gott gebot Abraham, und Sara gab Abraham die Hagar zur Frau. Und warum tat sie das? Weil es das Gesetz war; und aus Hagar entsprangen viele Völker. Darum war dies, unter anderem, die Erfüllung der Verheißungen.
Nach Genesis war es Sara, die auf die Idee kam, und nicht etwa ein göttliches Gebot oder Gesetz. Es war eher ein Mangel an Glauben an die göttliche Verheißung, die dazu führte, dass Sara durch ihre Magd an ein Kind kommen wollte. Und dies war damals durchaus nicht unüblich, aber kein Gesetz. Außerdem hat Abraham Hagar nach Genesis nicht zur Frau genommen, sondern lediglich geschwängert.

Auch die Aussage in Vers 39, Natan habe David die Nebenfrauen gegeben ist aus biblischer Sicht höchst zweifelhaft. Was uns die Bibel hingegen lehrt, ist, dass Mehrehen, Konkubinen und Nebenfrauen zu Streit, Konflikten und Leid führen. Und genauso war es unter Joseph Smith, wo Emma schrecklich litt. Und letztlich war es die Vielehe und in gewisser Hinsicht die Ursprungsfassung von LuB 132, die zu Josephs Ermordung führte. Denn diese wurde auch William Law, dem Ratgeber Joseph Smiths, gezeigt. Woraufhin er zu Joseph Smith ging, um zu klären, ob diese tatsächlich von ihm stamme. Daraufhin wollte er die geheimen polygamen Machenschaften mit Hilfe einer Zeitung ans Tageslicht bringen. Joseph ließ die Druckerpresse zerstören, wurde dafür verhaftet und dann im Gefängnis gelyncht. Auch in Utah hat die Vielehe unheimlich viel Probleme und Kummer verursacht: vereinsamte Frauen, gebrochene Frauenherzen, wenn die Männer sich jüngeren Frauen zuwandten und diese teilweise sogar im gleichen Haushalt lebten, Zwangskastrationen, weil lokale Kirchenführer bestimmte junge Frauen nicht bekamen usw. So riet Eliza Snow den Frauen, sie sollten ihre Zuneigung auf ihre Kinder und nicht ihre Männer richten, um mit der Mehrehe klarzukommen.

Außerdem verdeutlicht Vers 39, dass Joseph Smith Frauen als Ware gesehen hat. So werde David seine Frauen nicht ererben, denn sie werden einem anderen gegeben. Nach Vers 44 hat Joseph die Macht, Frauen zu nehmen und sie einem anderen zu geben. Dieses ‚gegeben‘ und ‚gehört‘ geht im ganzen Abschnitt so weiter. Frauen werden nicht als gleichberechtigte Partner, sondern als Gut und Besitztum gesehen.

Vers 35 und 36 drückt ein ebenso problembehaftetes Prinzip aus: Jedes auch noch so moralisch bedenkliches Verhalten ist gerechtfertigt, wenn von Gott geboten. So ist auch der Völkermord der Israeliten im AT in Ordnung.


Die wenigsten Mormonen kennen den Hintergrund von Vers 51, wo es heißt:
Wahrlich, ich sage dir: Ein Gebot gebe ich meiner Magd Emma Smith, deiner Frau, die ich dir gegeben habe, daß sie sich zurückhalte und nicht von dem nehme, was ich dir gebot, ihr anzutragen;
Emma sollte demnach doch nicht das annehmen, was Joseph ihr durch göttliches Gebot vorgeschlagen hatte. Joseph hatte ihr nämlich einen Partnertausch mit den Laws vorgeschlagen. Emma war nämlich einsam, da Joseph ja seine über 30 Frauen aufsuchte und so schlug Joseph ihr vor, sie könne ja William Law als zusätzlichen Mann bekommen. Dass Frauen mehrere Männer haben konnten, war unter Joseph Smith nicht unüblich. Rund ein Drittel seiner Frauen waren bereits verheiratet und die meisten von ihnen lebten auch weiterhin mit ihren ersten Ehemännern zusammen. So wurde beispielsweise Orson Hydes Frau Nancy während dieser auf Mission in Palästina war zunächst Williard Richards als weiteren Ehemann gegeben. Da diese Beziehung jedoch nicht gut verlief, wurde sie schließlich an Joseph Smith gesiegelt. Oder die 3. Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung, Zina Diantha Huntington (Jacobs) (Smith) (Young), die im März 1841 mit 20 Jahren Henry Jacobs heiratete und dann im Oktober Joseph Smith. 1846 heiratete sie schließlich Brigham Young, der Henry auf Mission nach England geschickt hatte und bei seiner Rückkehr erfahren musste, dass sie nun bei Brigham lebte und mit ihm ein Kind gezeugt hatte. 

Es gab also fröhliches Hin- und Hergeheirate. Und sollte einer Frau dies nicht gefallen, dann wird sie gemäß Vers 54 und 64 vernichtet - was auch immer das in Sachen Herrlichkeiten heißt. Der Mann kann auf jeden Fall tun, was er will. Er sollte seine Frau eigentlich fragen. Sollte sie aber nicht zustimmen, kann er trotzdem fröhlich andere Jungfrauen ehelichen. Beides hat Joseph wenig gekümmert, denn er hat zum einen seine erste Frau Emma nur in wenigen Fällen gefragt und zum anderen eher ein Faible für entjungferte bereits verheiratete Frauen gehabt, wobei er auch 14-Jährige geheiratet hat.

Alles in allem klingt der Abschnitt schon sehr stark nach Drohung von Joseph Smith an Emma gerichtet und nicht gerade nach Erklärung eines liebevollen Gottes und Heilung für Emmas gebrochenes Herz. Die Begründung ist außerdem mehr als fadenscheinig: nur weil Abraham im AT lange Zeit keine Kinder mit seiner Frau zeugen konnte und es damals Sitte war, dass Dienerinnen auch mal Leihmutter spielen mussten, soll das als Teil der Wiederherstellung auch für Joseph Smith vonnöten sein. Sehr verwirrend und widersprüchlich.