Wer ist der Gott der Mormonen?



Lehre und Bündnisse lehrt uns, dass Gott unbegrenzt, ewig und unveränderlich ist, dass er uns aus Intelligenzen gezeugt hat und wir dereinst Götter wie er werden können. Joseph Smith hat darüber hinaus auch gelehrt, dass Gott dereinst ein Mensch war wie wir. Außerdem lernen wir, dass Gott zwar durch ewige Gesetze begrenzt ist, einen endlichen Körper besitzt und auf einem bestimmten Planeten weilt, er andererseits aber alles mit seiner Macht durchdringt und erhält, allwissend und allmächtig, vollkommen gut und gerecht ist. Wobei es unklar ist, ob Allwissenheit bedeutet, dass Gott schon genau die Zukunft kennt und sieht oder nur gut voraussagen kann.

Wenn es also einen Zeitpunkt gegeben haben muss, an dem nur Materie und Intelligenzen existiert haben, wie sind dann Menschen und Planeten entstanden, aus denen dann Götter erwachsen konnten? Aber ohne Götter-Paare keine Geistkinder, keine Menschen und keine Götter. Und um Gott zu werden, muss man ja vorher Mensch gewesen sein. Wenn Menschen aber nur durch Götter gezeugt werden können, geht das ja nicht. Insofern macht das ganze Konstrukt von ewigem Fortschritt keinen Sinn, da es immer den Menschen und einen bereits existierenden Gott gleichzeitig voraussetzt.

Auch ist es logisch unmöglich, dass ein Wesen mit endlichem Wissen durch Vermehrung von Wissen irgendwann unendliches Wissen erlangt. Unendlichkeit kann niemals durch Kombination von Begrenztheit entstehen, es sei denn, man geht von einer Grenze aus, wonach es kein zusätzliches Wissen mehr geben kann.

Weiterhin rational widersprüchlich ist die Entwicklung des Gottesbilds von einer anfangs schwachen Form von Anthropomorphismus, also dem Zusprechen menschlicher Eigenschaften, hin zu einer sehr starken anthropomorphen Vorstellung Gottes. Gott hat einen Körper wie wir, lebt als Mann-Frau-Paar mit Kindern, die sie zeugen usw. Andere Christen haben ja ein sehr viel metaphysischeres Bild, wonach Gott eher als Energie und Macht oder Liebe verstanden wird. Im Mormonentum wurden nun aber beide Ideen kombiniert. Somit soll Gott sowohl auf einen bestimmten Ort begrenzt und gleichzeitig im ganzen Universum präsent sein.

Wir glauben daher eine Vorstellung davon zu haben, wenn wir über Gott als Person oder Vater sprechen. Tatsächlich haben wir aber nicht ansatzweise eine Idee davon, was es bedeutet, dass Gott unser Vater sein soll. Wir können hier nur auf Vergleiche zu irdischem Vatersein zurückgreifen, was allerdings vollkommen absurd ist. Letztlich müssen wir zugeben, dass wir eigentlich nichts über das Wesen wissen, was wir anbeten und verehren.

Was ist denn ein auferstandener Körper, in dem kein Blut fließt sondern irgendwelches Geistzeugs. Und warum soll der so aussehen wie der unsere mit ebenso reduzierter Körperbehaarung, fünf Fingern, gekrümmtem Rückgrat usw. Alle Aspekte, die wir wunderbar evolutionär erklären können, sollen uns in der Ewigkeit begleiten, aber ohne den evolutionären Grund und die irdische Funktion? Warum benötigt Gott beispielsweise einen ähnlich geformten Kiefer wie wir oder Fingernägel?

Oder auf einer abstrakteren Ebene, wie kann er sowohl ewig und unveränderlich und gleichzeitig erschaffen worden sein und an Herrlichkeit zunehmen? Wie kann er alles durchdringen und an einem Ort sein? Alles mit Energie und Licht erfüllen, allmächtig sein usw.? Klingt doch sehr nach metaphysischer Spekulation und reinen Worthülsen (Intelligenzen, Geistkinder, Materie, Licht Christi…).

Ein anderer Aspekt ist die in unseren Intelligenzen gegebene Natur des Bösen. Um zu erklären, warum es das Böse in der Welt gibt, obwohl Gott ja nur gut ist, weisen ja Mormonen darauf hin, dass Gott nichts für die Intelligenzen, also sozusagen unser Rohmaterial, kann. Nur dadurch, dass Gott uns hier auf der Erde prüft und Erfahrungen sammeln lässt, kann er unsere vermeintlich böse Natur zum puren Gutsein verändern. Demnach muss jedoch auch in Gott eine ursprünglich böse Natur schlummern bzw. vorhanden gewesen sein.

Woher wissen wir eigentlich, dass Gott - sofern es ihn tatsächlich gibt - nicht auch ein wenig böse und unvollkommen ist? So richtig super erscheint sein Plan der Erlösung ja nicht, wenn schon einmal ein Drittel dem Rivalen Satan folgen. Wobei schon komisch ist, dass sich das Böse in seiner Gegenwart so ausbreiten konnte und dass seine Stimme und Rat von so vielen ungehört blieb und sie sich sogar dagegen auflehnten. Zumindest kann man logisch nicht ausschließen, dass Gott fähig ist, ungerecht und lieblos oder auch nur unvollkommen zu handeln.

Und auch in Sachen Erschaffung von Welten und Lebewesen sind effizientere Vorgehensweisen denkbar. Wobei generell die naturwissenschaftliche Erklärung sinniger und wahrscheinlicher klingt. Oder war die Evolution nur Gottes Schöpfungsmethode? Hat er die Evolution etwa nur im Hintergrund irgendwie gesteuert? Oder ist er mal hier und da direkt eingeschritten etwa als es darum ging, den Mensch zu schaffen? Und wann genau betritt der Geist den menschlichen Körper? Mit der Zeugung, kurz vor der Geburt oder irgendwann dazwischen? Und wie ist der Zusammenhang zwischen Geist und Gehirnvorgängen? Und wie konnte Gott durch Maria einen Sohn zeugen, der ganz Mensch und ganz Gott sein konnte? Was heißt das überhaupt?

Wäre doch toll, wenn unsere 15 Propheten, Seher und Offenbarer da die eine oder andere Frage beantworten könnten. Aber das ist ja alles nicht wesentlich für unsere Errettung...

Ach, und warum braucht es eigentlich den Heiligen Geist, wenn Gott doch alles durchdringt? Oder kann er doch nicht überall hin mit seinem physischen Körper? Merkwürdig. Und bleibt unsere Mutter im Himmel wirklich nur so im Hintergrund, weil Gott Vater sie nicht dem Spott von Atheisten und Gotteslästern aussetzen will? Sind celestiale Frauen so verletzlich? Oder sind die einfach nur zu beschäftigt mit dem Geistkinderzeugen? Ohne respektlos zu sein, aber wir wissen doch wirklich verdammt wenig über das ganze Gottsein und -getue.

Hütet euch vor falschen Propheten und falschen Lehren



M. Russell Ballard, Generalkonferenz Oktober 1999 in Auszügen:

"... Als Apostel des Herrn Jesus Christus sind wir verpflichtet, Wächter auf dem Turm zu sein und die Mitglieder zu warnen, damit sie sich vor den falschen Propheten und den falschen Lehrern, die auf der Lauer liegen, um den Glauben und das Zeugnis zu zerstören, hüten. Wir warnen Sie heute: es treten falsche Propheten und falsche Lehrer auf, und wenn wir nicht Acht geben, werden sogar treue Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ihnen zum Opfer fallen.
[...]
Hüten wir uns also vor falschen Propheten und falschen Lehrern, Männern und Frauen, die selbsternannte Verkündiger der Lehren der Kirche sind--darauf aus, ihr falsches Evangelium zu verbreiten und Anhänger zu finden, indem sie Symposien veranstalten und Bücher und Zeitschriften unterstützen, deren Inhalt grundlegende Lehren der Kirche in Frage stellt. Hüten Sie sich vor Menschen, die Dinge reden und veröffentlichen, die dem, was die wahren Propheten Gottes sagen, widersprechen und die aktiv versuchen, andere für sich zu gewinnen, ohne Rücksicht auf das ewige Wohlergehen derer zu nehmen, die sie auf diese Weise verführen. Wie Nehor und Korihor im Buch Mormon stützen sie sich auf schlaue Argumente, um andere zu täuschen und sie von ihren Ansichten zu überzeugen. Sie stellen sich selbst der Welt als Licht hin, um von der Welt Gewinn und Lob zu ernten; aber sie trachten nicht nach dem Wohlergehen Zions (siehe 2 Nephi 26:29).
Vor solchen Menschen hat Präsident Joseph F. Smith gewarnt, als er von den "Stolzen und Eingebildeten" sprach, die im Schein ihrer Selbstherrlichkeit lesen, die die Regeln auslegen, wie es ihnen gefällt, die sich selbst zum Gesetz werden und sich damit zum alleinigen Richter über ihr Handeln aufschwingen" (Gospel Doctrine, 381).
Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele für die falschen Lehren derer nennen, die "im Schein ihrer Selbstherrlichkeit lesen", "die immer lernen", aber "doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen können" (2 Timotheus 3:7).
Falsche Propheten und falsche Lehrer sind diejenigen, die verkündigen, der Prophet Joseph Smith sei ein doppelzüngiger Betrüger gewesen. Sie stellen die erste Vision als authentisches Erlebnis in Frage. Sie verkündigen, das Buch Mormon und andere kanonische Werke seien keine heiligen Schriften aus alter Zeit. Sie versuchen auch, das Wesen der Gottheit neu zu definieren, und sie leugnen, dass Gott seinen ordinierten und bestätigten Propheten Offenbarungen gegeben hat und ihnen weiterhin Offenbarungen gibt.
Falsche Propheten und falsche Lehrer sind diejenigen, die auf arrogante Art und Weise versuchen, die heiligen Schriften neu auszulegen, um zu demonstrieren, dass diese heiligen Texte nicht als Gottes Wort an seine Kinder zu verstehen seien, sondern bloß als Äußerungen uninspirierter Menschen, die durch ihre Vorurteile und ihre kulturelle Prägung eingeschränkt waren. Sie argumentieren deshalb, die heiligen Schriften bedürften einer neuen Auslegung und sie allein seien dafür qualifiziert, diese Auslegung vorzunehmen.
Am Verdammenswertesten ist es vielleicht, dass sie die Auferstehung und das Sühnopfer Christi leugnen und behaupten, kein Gott könne uns erretten. Sie akzeptieren nicht, dass wir einen Erretter brauchen. Kurzum, diese Lästerer versuchen, die Lehren der Kirche neu auszulegen, so dass sie ihren Vorstelllungen entsprechen, und leugnen dabei Christus und sein Messiassein.
Falsche Propheten und falsche Lehrer sind diejenigen, die versuchen, die von Gott gegebenen und auf den heiligen Schriften beruhenden Lehren zu ändern, die die Heiligkeit der Ehe, die göttliche Natur der Familie und die wesentliche Lehre von der sittlichen Reinheit schützen. Sie befürworten eine neue Definition von Sittlichkeit, um Unzucht, Ehebruch und homosexuelle Beziehungen zu rechtfertigen. Manche treten offen für die Legalisierung sogenannter "gleichgeschlechtlicher Ehen" ein. [...]
Ungeachtet dessen, welche speziellen falschen Lehren sie verbreiten, die falschen Propheten und falschen Lehrer sind ein unvermeidbarer Teil der Letzten Tage. "Es erheben sich immer falsche Propheten, die den wahren Propheten entgegenarbeiten", so der Prophet Joseph Smith (Lehren des Propheten Joseph Smith, 371).
Es gibt aber in der Kirche des Herrn keine "loyale Opposition". Man ist entweder für das Reich Gottes und verteidigt die Propheten und Apostel Gottes, oder man ist dagegen. [...]"


Wenn wir Brigham Young und John Taylor an dieser Aussage messen, waren dies dann falsche Propheten?



„Seit Gründung des Römischen Reiches hat sich Monogamie stärker durchgesetzt als in vorhergehenden Zeiten. Die Gründer dieses alten Imperiums waren Räuber und Frauendiebe und machten Gesetze, die die Monogamie in Folge der Knappheit der Frauen unter ihnen begünstigten. Und damit ist dieses monogame System, das jetzt in der ganzen Christenheit vorherrscht, eine so fruchtbare Quelle der Prostitution und Hurerei durch alle christlichen monogamen Städte der Alten und Neuen Welt hinweg, bis Fäulnis und Verfall die Wurzel ihrer Institutionen sowohl national als auch religiös befällt.“ (Brigham Young Journal of Discourses, Vol. 11, p. 128)

„Monogamie beziehungsweise die Einschränkungen durch das Gesetz auf eine Frau ist kein Teil der Menschen im himmlischen Reich. Ein solches System wurde von den Gründern des römischen Reiches begonnen .... Rom wurde die Mätresse der Welt und führte diese Ordnung der Monogamie ein, wo ihr Einfluss anerkannt wurde. So ist diese monogamen Ordnung der Ehe, so geschätzt von modernen Christen als heiliges Sakrament und göttliche Institution, nichts anderes als ein durch eine Gruppe von Räubern begründetes System.... Warum glauben wir an und praktizieren Polygamie? Weil der Herr dies seinen Dienern in einer Offenbarung an Joseph Smith angewiesen hat, und die Diener des Herrn es schon immer praktiziert haben.“ (Brigham Young, The Deseret News, August 6, 1862)

„Das Eine-Frau-System degeneriert nicht nur die menschliche Familie, sowohl physisch als auch intellektuell, es ist auch völlig unvereinbar mit philosophischen Vorstellungen von Unsterblichkeit, es ist ein Köder der Versuchung und hat sich immer als Fluch für ein Volk erwiesen.“ (John Taylor, Millennial Star, Vol. 15, p. 227)

Andererseits können uns Brigham Young und John Taylor aber nicht in die Irre geführt haben, denn Wilford Woodruff hat ja klargestellt:

„Der Herr wird niemals zulassen, dass ich oder irgendein ein anderer Mann, der als Präsident dieser Kirche dasteht, Sie in die Irre führt. Das ist nicht Teil des Plans. Das hat Gott nicht im Sinn. Wenn ich das versuchte, würde der Herr mich von meinem Platz entfernen, und das wird er auch mit jedem anderen tun, der versucht, die Menschenkinder von den Aussprüchen Gottes und von ihrer Pflicht weg in die Irre zu führen.“ (Amtliche Erklärung – 1, „Auszüge aus drei Reden des Präsidenten Wilford Woodruff in Bezug auf das Manifest“.)

Kann es sein, dass es sich um einen Zirkelschluss mit doppeltem Widerspruch handelt? Gut, dass wir von Elder Costa auf der Generalkonferenz im Oktober 2010 über folgende Prinzipien - insbesondere Punkt 8 - aufgeklärt wurden:


„Erstens: Der Prophet ist der Einzige, der in allen Belangen für den Herrn spricht.“ (1980 Devotional Speeches of the Year, 1981, Seite 26.)
Zweiter Grundsatz: „Der lebende Prophet ist für uns wichtiger als die Standardwerke.“ („Fourteen Fundamentals“, Seite 26.)
Dritter Grundsatz: „Der lebende Prophet ist für uns wichtiger als ein toter Prophet.“ („Fourteen Fundamentals“, Seite 27.)
Vierter Grundsatz: „Der Prophet wird die Kirche niemals in die Irre führen.“ („Fourteen Fundamentals“, Seite 27.)
Fünfter Grundsatz: „Der Prophet kann jederzeit über ein beliebiges Thema sprechen oder in einer beliebigen Sache etwas unternehmen, ohne dass er dazu eine spezielle weltliche Ausbildung oder irgendwelche Diplome bräuchte.“ („Fourteen Fundamentals“, Seite 27.)
„Sechstens: Der Prophet muss nicht sagen: ,So spricht der Herrʻ, damit seine Worte zu heiliger Schrift werden …
Siebtens: Der Prophet sagt uns, was wir wissen müssen, nicht immer das, was wir wissen wollen.“(„Fourteen Fundamentals“, Seite 27f.)
Achter Grundsatz: „Für den Propheten gelten nicht die Grenzen menschlicher Vernunft. …
„Neuntens: Der Prophet kann Offenbarung zu jeder Frage empfangen, sei sie zeitlich oder geistig. …
Zehntens: Der Prophet kann sich durchaus zu politischen Angelegenheiten äußern. …
Elftens: Zwei Gruppen fällt es am schwersten, dem Propheten zu folgen: den Stolzen, die gebildet sind, und den Stolzen, die reich sind. …
Zwölftens: Der Prophet ist in der Welt und bei denen, die weltlich gesinnt sind, nicht unbedingt beliebt. …
Dreizehntens: Der Prophet und seine Ratgeber bilden die Erste Präsidentschaft der Kirche – das höchste Kollegium in der Kirche …
Vierzehntens: Wer dem Propheten und der Präsidentschaft – dem lebenden Propheten und der Ersten Präsidentschaft – folgt, wird gesegnet, wer sie ablehnt, muss leiden.“ („Fourteen Fundamentals“, Seite 29.)

 

Kindersterblichkeit und Plan Gottes

Hin und wieder nerve ich meine Kinder, wenn ihnen das Essen nicht schmeckt oder so, damit, dass jeden Tag über 10.000 Kinder in der Welt verhungern. Insgesamt dürfte die Säuglings- und Kindersterblichkeitsrate historisch weit über 20% liegen; im 19. Jahrhundert lag sie selbst in Deutschland noch bei über 25%.

Was hat das nun mit dem Glauben als Mormone zu tun? Nun laut "Plan der Erlösung" oder neuerdings "Plan des Glücklichseins" kommen wir Menschen hier auf die Erde, um (a) einen Körper zu erhalten und (b) geprüft zu werden und durch die Ausübung der Entscheidungsfreiheit Fortschritt zu machen. Letzteres können wir aber erst wirklich ab dem 8. Geburtstag. Daher landen alle Säuglinge und Kinder, die vorher sterben, automatisch im höchsten Himmel.

Angesichts obiger Säuglings- und Kindersterblichkeitsrate ist der Prüfungsteil für mindestens 25% der Geistkinder Gottes nicht notwendig (die geistig Zurückgebliebenen müsste man eigentlich auch noch hinzu rechnen). Ist das gerecht? Nun, für ihren Körper zahlen sie dafür einen hohen Preis. Denn zu verhungern ist grauenvoll. Und warum genau ist es erforderlich, einen sterblichen Körper zu erhalten. Kann Gott uns nicht auch ohne später mit einem vollkommenen, unsterblichen Körper versorgen? Und was genau ist der Sinn eines Körpers nach dem Tod? Wir brauchen keine Atmung und Verdauung, kein Nervensystem und vermutlich auch kein Gehirn. Angeblich werden als Kinder Verstorbene in einem kindlichen Körper auferstehen und von ihren Eltern großgezogen. Wie das ohne Zelltot vonstatten gehen und praktisch möglich und sinnvoll sein soll, ist aber mehr als fraglich.

Und auch für die restlichen 75% der Menschheit ist der Prüfungsteil ja mal mehr oder weniger intensiv. Anscheinend ist eine Kenntnis vom Sühnopfer nicht sonderlich wichtig für den Großteil und nur wenige Millionen von aktuell über 7 Milliarden Menschen (also um die 0,1 Prozent) benötigen anscheinend die so genannte Fülle des Evangeliums - also die Information, dass Gott homosexuelles Verhalten, Piercings, Tattoos, ärmellose Shirts, Bärte und Kaffee usw. verabscheut.

Oder habe ich da was falsch verstanden? Irgendwie scheint diese ganze Auferstehungsgeschichte mitVater und Mutter Gottes, älterem Bruder im Himmel usw. eine reine Projektion des Familienideals zu sein.

Geimpft gegen Rinder und Schafe



Bei der Lektüre von Jared Diamonds Buch „Arm und Reich – Die Schicksale menschlicher Gesellschaften“ sind mir diese Passagen aufgefallen (neben Ausführungen zu militärischer Ausstattung, Metallverarbeitung, Technologien wie Rad, Landwirtschaft usw.):

„Ganz anders war die Situation in Mesoamerika: Dort gab es nur zwei domestizierbare Tiere (Truthahn und Hund)“ (S. 165)
„Demgegenüber besaßen Nord- und Südamerika nur eine einzige große  domestizierte Säugetierart [definiert als schwerer als 45kg], das Lama/Alpaka, dessen Verbreitungsgebiet auf einen kleinen Teil der Anden und die Küste Perus beschränkt war [also nirgendwo nahe Mesoamerikas].“ (S. 439)

Also: Im Buch Mormon Land (Mesoamerika) gab es keine Kühe, keine Schafe, keine Ziegen, keine Schweine oder Pferde und auch keine vergleichbaren domestizierten Tiere.

Was lesen wir aber im Buch Mormon?

„Und es begab sich: Das Volk Nephi bebaute das Land und zog allerlei Getreide und Früchte und vielerlei Herden und Herden mit allerlei Rindern jeder Art und Ziegen und Wildziegen und auch viele Pferde.“ (Enos 1:21)
„Aber Ammon sprach zu ihm: Nein, aber ich will dein Knecht sein. Darum wurde Ammon ein Knecht König Lamonis. Und es begab sich: Er wurde anderen Knechten beigegeben, um Lamonis Herden zu hüten, gemäß dem Brauch der Lamaniten.“ (Alma 17:25)
„So werden wir mit unseren Frauen und unseren Kindern, mit unserem Kleinvieh und unseren Herden in die Wildnis hinausziehen, und wir werden den Weg um das Land Schilom nehmen.“ (Mosia 22:8)
„Und der Herr war mit uns; und es erging uns über die Maßen wohl; denn wir säten Samen, und wir ernteten dann reichlich. Und wir fingen an, Kleinvieh und Herden und Tiere aller Art zu ziehen.“ (2. Nephi 5:11)
„und auch allerart Rinder, Ochsen und Kühe und Schafe und Schweine und Ziegen und auch viele andere Arten von Tieren, die für die Nahrung des Menschen nützlich waren.“ (Ether 9:18)
„O ihr, die ihr Übles tut; ihr, die ihr aufgeblasen seid in den Nichtigkeiten der Welt; ihr, die ihr behauptet habt, ihr kenntet die Wege der Rechtschaffenheit, und doch irregegangen seid wie Schafe, die keinen Hirten haben, obgleich ein Hirte nach euch gerufen hat und noch immer nach euch ruft, aber ihr wollt nicht auf seine Stimme hören!“ (Alma 5:37)
„Darum gab es für die Räuber keine Möglichkeit, zu plündern und Nahrung zu erlangen, außer in offenem Kampf gegen die Nephiten heranzuziehen; und die Nephiten waren in nur einer Gruppe und waren an Zahl so viele und hatten für sich Vorräte angehäuft und Pferde und Rinder und Kleinvieh jeder Art, so daß sie für den Zeitraum von sieben Jahren überleben konnten, in welcher Zeit sie hofften, die Räuber vom Antlitz des Landes hinweg zu vernichten; und so verging das achtzehnte Jahr.“ (3 Nephi 4:4)

Das ist wie wenn man in einer Übersetzung eines vermeintlich antiken römischen Texts ständig von Kängurus oder ähnlichem lesen würde. Zunächst dachte ich: alter Hut! Der Vorwurf von Anachronismen im Buch Mormon – Weizen, Zement, Stahl, Pferde, Christologie… – ist bestimmt schon 100 Jahre alt und wurde längst von Experten der BYU & Co. adressiert. Tatsächlich findet man auf Kirchenseiten, beim Maxwell-Institut oder FAIR dazu nur Scheinargumente: Es könnten ja irgendwelche anderen Tiere sein, die Knochenreste sind alle verschwunden oder noch nicht gefunden…

Eigentlich würde man von der Kirche erwarten, dass sie damit seriös und ehrlich umgeht und klar sagt: Nach heutigem Kenntnisstand hat sich das Buch Mormon entweder auf irgendeinem anderen Kontinent abgespielt, Joseph Smith hat sich beim Übersetzen übelst vertan oder das ganze Buch ist allenfalls inspirierte Fiktion.

Bleibt die Frage: Warum ist mir dieser augenscheinliche Widerspruch nie so aufgefallen? Aus 3 Gründen:
1. Durch das quasi Aufsaugen des Buch Mormons mit der Muttermilch und dem gebetsmühlenartigen ständigen „Ich weiß, dass das Buch Mormon wahr ist“ war die Vorstellung, das Buch Mormon könne reine Fiktion sein überhaupt nicht denkbar.
2. Viele Funde schienen die Wahrheit des Buch Mormon zu belegen: von Quetzalcoatl, dem weißen Gott, über die Tempelanlagen in Mexiko und Guatemala, Chiasmus usw. John Sorenson ist es sogar angeblich gelungen, die Geographie des Buches Mormon mit den Orten in Mesoamerika zusammenzubringen. Tatsächlich gibt es außer Chiasmus, NHM in Arabien und der internen Konsistenz und Komplexität des Buches keinerlei ernstzunehmende Belege für die antike Herkunft.
3. Die Vorwürfe werden von der Kirche diskreditiert als üble Versuche von Anti-Mormonen und alte Hüte, die längst beantwortet wurden, oder genereller Skepsis an sich ständig revidierenden wissenschaftlichen Theorien. Ich erinnere mich in dem Zusammenhang an Ansprachen, wo es hieß, dass von so und so vielen Kritikpunkten am Buch Mormon mittlerweile 90% widerlegt seien und es daher töricht sei, wegen noch nicht beantworteter Punkte die Wahrheit abzulehnen.

All das führte dazu, dass ich quasi gegen diese Vorwürfe immun war. Denn ich kannte die Aspekte und wusste oberflächlich, dass es dafür irgendeine Antwort gibt. Wenn ich also mit der Frage nach Pferden, Stahl & Co. im Buch Mormon konfrontiert wurde, habe ich nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Wahnsinn! So funktioniert effektive Indoktrination.