Glaube versus Moral


Gebietet Gott den Menschen mitunter Mord, Betrug und Lüge zu begehen? Oder rechtfertigt er dies zumindest unter bestimmten Umständen? Die Heiligen Schriften sagen uns deutlich: Ja.

Nach dem vom Herrn offenbarten mosaischen Gesetz ist es okay, einen Dieb im Affekt zu erschlagen (Exodus 22:1). Hexen, Homosexuelle und alle, die mit einem Tier verkehren, sollen getötet werden. Es reichte auch, dass man am Sabbat Holz sammelte, um nach Gottes Gebot hingerichtet zu werden (Numeri 15).

Ein Todesurteil kann auch mal die engste Familie und Freunde betreffen, wenn diese vom Glauben abfallen. Als die Israeliten das Goldene Kalb errichtet und angebetet haben, erging das Gebot vom Herrn durch Mose:
Er sagte zu ihnen: So spricht der Herr, der Gott Israels: Jeder lege sein Schwert an. Zieht durch das Lager von Tor zu Tor! Jeder erschlage seinen Bruder, seinen Freund, seinen Nächsten. Die Leviten taten, was Mose gesagt hatte. Vom Volk fielen an jenem Tag gegen dreitausend Mann. (Exodus 32:27-28)

Getötet werden sollen auch ungehorsame Söhne:
Wenn ein Mann einen störrischen und widerspenstigen Sohn hat, der nicht auf die Stimme seines Vaters und seiner Mutter hört, und wenn sie ihn züchtigen und er trotzdem nicht auf sie hört, dann sollen Vater und Mutter ihn packen, vor die Ältesten der Stadt und die Torversammlung des Ortes führen und zu den Ältesten der Stadt sagen: Unser Sohn hier ist störrisch und widerspenstig, er hört nicht auf unsere Stimme, er ist ein Verschwender und Trinker. Dann sollen alle Männer der Stadt ihn steinigen und er soll sterben. Du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen. Ganz Israel soll davon hören, damit sie sich fürchten. (Deuteronomium 21:18-21)

Und es kann auch mal brave Söhne treffen, wenn der Herr den Glauben bzw. Gehorsam des Vaters prüfen möchte, wie das Beispiel Abrahams zeigt, der seinen Sohn Isaak opfern sollte (auch wenn er letztlich von einem Engel bei der Vollstreckung abgehalten wurde).

Generell gilt, dass Frauen und Kinder nicht geschont werden:
Nun bringt alle männlichen Kinder um und ebenso alle Frauen, die schon einen Mann erkannt und mit einem Mann geschlafen haben. (Numeri 31:17)
Damals eroberten wir alle seine Städte. Wir weihten die ganze männliche Bevölkerung, die Frauen, die Kinder und die Greise der Vernichtung; keinen ließen wir überleben. (Deuteronomium 2:34-35)
Den ganzen Besitz aus diesen Städten und das Vieh nahmen die Israeliten für sich, die Menschen aber erschlugen sie alle mit scharfem Schwert und rotteten sie völlig aus. Niemand ließen sie am Leben. (Josua 11:14)
Samuel sagte zu Saul: Der Herr hatte mich gesandt, um dich zum König seines Volkes Israel zu salben. Darum gehorche jetzt den Worten des Herrn! So spricht der Herr der Heere: Ich habe beobachtet, was Amalek Israel angetan hat: Es hat sich ihm in den Weg gestellt, als Israel aus Ägypten heraufzog. Darum zieh jetzt in den Kampf und schlag Amalek! Weihe alles, was ihm gehört, dem Untergang! Schone es nicht, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel! (1. Samuel 15:1-3)
Aus den Städten dieser Völker jedoch, die der Herr, dein Gott, dir als Erbbesitz gibt, darfst du nichts, was Atem hat, am Leben lassen. Vielmehr sollst du die Hetiter und Amoriter, Kanaaniter und Perisiter, Hiwiter und Jebusiter der Vernichtung weihen, so wie es der Herr, dein Gott, dir zur Pflicht gemacht hat, damit sie euch nicht lehren, alle Gräuel nachzuahmen, die sie begingen, wenn sie ihren Göttern dienten, und ihr nicht gegen den Herrn, euren Gott, sündigt. (Deuteronomium 20:16-18)

Die Begründung war klar: die Völker hatten den falschen Glauben und lebten am falschen Ort. Man kann nicht gerade sagen, dass sie eine faire Chance gehabt hätten, eine der zwei Dinge zu ändern, bevor sie dem Völkermord zum Opfer fallen sollten. Historiker gehen zwar heute davon aus, dass die Landnahme der Israeliten wohl doch nicht so brutal erfolgte. Aber die Botschaft der Bibel ist dennoch klar ungeachtet dessen, wie diese tatsächlich geschichtlich ausgeführt wurde.

Der von Gott auserwählte David war ein Kriegsverbrecher, der Menschen in frühzeitliche Konzentrationslager zur Zwangsarbeit und systematischen Vernichtung brachte.
Aber das Volk drinnen führte er heraus und legte sie unter eiserne Sägen und Zacken und eiserne Keile und verbrannte sie in Ziegelöfen. So tat er allen Städten der Kinder Ammon. (2.Samuel 12:31; mit dem ursprünglichen Text vor der Änderung 1959)
Auch die Moabiter schlug er. Sie mussten sich nebeneinander auf die Erde legen und er maß die Reihe mit einer Messschnur ab: jeweils zwei Schnurlängen wurden getötet und jeweils eine volle Schnurlänge ließ er am Leben. (2. Samuel 8:2)

Auch Jakobs Söhne Simeon und Levi waren Mörder (Genesis 34).

Im Buch Mormon finden sich ebenfalls explizite Beispiele dafür, dass der Zweck die Mittel heiligt und unter bestimmten Umständen das, was sonst als unmoralisch gilt, von Gott geboten werden kann. Da haben wir einmal Nephi, dem geboten wird, seinen Onkel Laban zu ermorden, um an die Messingplatten zu gelangen. Und wir haben die Aussage, dass die Vielehe okay ist, wenn der Herr sich Nachkommen erwecken will (Jakob 2:30). Auch wird im Buch Mormon das mosaische Gesetz als göttlich anerkannt und damit indirekt auch die dort geregelte Sklavenhaltung. Glauben wir wirklich, dass so eine Regel göttlich inspiriert ist?
Wenn einer seinen Sklaven oder seine Sklavin mit dem Stock so schlägt, dass er unter seiner Hand stirbt, dann muss der Sklave gerächt werden. Wenn er noch einen oder zwei Tage am Leben bleibt, dann soll den Täter keine Rache treffen; es geht ja um sein eigenes Geld. (Exodus 21:20-21)

Nun mag man einwenden, dies sei ja schon ein Fortschritt gegenüber vollkommener Willkür gegenüber Sklaven. Aber sorry, ist Sklavenhaltung nicht viel schlimmer als das Verehren irgendwelcher heidnischer Figuren? Und hätte Gott das den Menschen nicht klar machen können, anstelle regeln zu lassen, dass die Israeliten kein Blut essen, sich das Kopfhaar nicht rundum abschneiden, den Bart nicht stutzen und sich nicht tätowieren lassen sollen (Levitikus 19). Übrigens wird das noch heute gerne verwendet, um Tattoos zu verteufeln, wobei die anderen Regeln nicht erwähnt werden sowie die Aussage in Offenbarung 19:16 wonach Jesus an der Hüfte tätowiert ist:
Auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte trägt er den Namen: «König der Könige und Herr der Herren».
Okay, das ist jetzt nicht wirklich ernsthaft, soll nur zeigen, wie fragwürdig es ist, sich einzelne Regeln aus dem mosaischen Gesetz herauszupicken.

Auch im Neuen Testament wird nicht nur Frieden und Nächstenliebe gepredigt:

Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. (Matthäus 10:34-37)
Also geht der Glaube klar vor der Harmonie in der Familie – zumindest nach Matthäus.

Wie sieht es in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage aus? Gibt es dort eine Tradition, dass Gehorsam gegenüber Gottes Gebot moralisches Verhalten außer Kraft setzen kann?
  • Vor dem Hintergrund der Vielehe hat Joseph Smith das Gesetz gebrochen, gelogen, seine (erste) Frau betrogen, junge Frauen erpresst usw.
  • Die geheime von Joseph Smith initiierte Gruppe der ‚Danites‘ hat viele Verbrechen in Missouri begangen (Mord, Raub, Plünderung).
  • Die Lehre der Blutsühne durch Brigham Young, Hetztiraden während der so genannten ‚Mormon Reformation‘ sowie die Racheschwüre im Tempel haben zu mehreren Ermordungen, Zwangskastrationen sowie dem Mountain Meadows-Massaker geführt, wo 120 Männer, Frauen und Kinder massakriert wurden.
  • Im Zusammenhang mit der Vielehe sind rund 1.000 Mitglieder ins Gefängnis gewandert.
  • Brigham Young hat die Diskriminierung von Schwarzen als Offenbarung bezeichnet, die Sklavenhaltung in Utah legalisiert und selber Sklaven gehalten.
  • 1883 wurde ein Schwarzer, der einen Polizisten erschossen hatte, vor einer Menge von über 2.000 Personen in Salt Lake City gelyncht und der Leichnam durch die Straßen gezogen.
  • Brigham Young hat mehrfach erklärt, dass Dieben die Kehle durchgeschnitten oder diese auf der Stelle erschossen werden sollten. Ebenso sollten sexuelle Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen mit dem Tod bestraft werden. Beispielsweise wurden im April 1858 ein 22-Jähriger und seine Mutter wegen Inzucht erschossen und deren Baby getötet.
  • Selbst Lorenzo Snow hat noch 1990 als Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel die Hoffnung geäußert, den Tag zu erleben, wo das Blut von Ehebrechern vergossen wird. Allerdings wurde ab 1890 von Kirchenführern nicht mehr öffentlich die Tötung von Abtrünnigen sowie Tätern schwerwiegender Sünden gefordert.
Glücklicherweise hat sich die Kirche mittlerweile deutlich von diesen alttestamentlichen Einstellungen distanziert. Die Lehre von der Blutsühne, also dass bei bestimmten Sünden der Täter getötet werden müsse, weil das Sühnopfer Christi alleine nicht ausreiche, wird auch nicht mehr gelehrt. Man kann höchstens noch den Vorwurf erheben, dass die noch vorherrschende Homophobie und damit verbundene vehemente Ablehnung der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen ein Überbleibsel dieser Kultur ist. Aber auch hier wurde die Rhetorik in den letzten Jahren stark entschärft.

Ungeachtet dessen finden wir nach wie vor die genannten Beispiele in den Heiligen Schriften. So wird die Tat Abrahams weiterhin mit Bewunderung vermittelt. Und auch wird ein großer Schwerpunkt auf Gehorsam den Führern der Kirche gegenüber gelegt.

Derzeit müssen wir uns daher weniger Sorgen hinsichtlich der Mormonen machen und vielmehr hoffen, dass der Fundamentalismus in anderen Religionen wie dem Islam oder die ultraorthodoxen Juden endlich die alttestamentlichen und mittelalterlichen Dogmen abschütteln.