Religion ist
bei allen Völkern und Kulturen vorzufinden. Man mag dies als Zeichen dafür
sehen, dass Etwas daran ist, dass es Gott geben muss. Möglicherweise gibt es
jedoch eine natürliche Erklärung dafür, dass sich die Menschheit so universell
auf übersinnliche Erklärungen der Natur gestürzt hat. Gibt es etwas Tiefgreifenderes
in uns Menschen, was uns zum Transzendenten führt? Deshalb ist es lohnenswert
zu betrachten, welche Neigungen ursprünglich bei der Evolution hilfreich waren,
um das Überleben und die Entwicklung der Menschheit in der afrikanischen
Savanne zu befördern.
Wir haben
zwei Systeme in uns, mit denen wir agieren: dem rationalen und dem intuitiven
System. Das rationale ist langsam, bewusst, abstrakt und logisch. Das intuitive
schnell, automatisch, assoziativ und emotional. Ohne das intuitive System wären
wir nicht nur in der Savanne aufgeschmissen. Allerdings verdanken wir diesem
auch die Religiösität. So klopfen auch rationale Menschen, die nicht an übernatürliche
Kräfte glauben, auf Holz oder kreuzen die Finger, wertschätzen Objekte von
Berühmtheiten oder mit persönlicher Bedeutung und Geschichte, obwohl diese
physikalisch keinerlei Unterschiede aufweisen.
Nach dem
Gesetz der Ansteckung kann die Qualität von Objekten mittels Kontakt übertragen
werden. Was eigentlich nur für Krankheiten gilt, glauben wir auch für
moralische Übel, Glück oder Unglück. Außerdem führt wahrgenommene negative
Ansteckungsgefahr zu Ekelreaktionen. Beim Ekel haben wir die natürliche
Neigung, die Nasenflügel zusammenzupressen und den Mund zu öffnen, um das
Erbrechen von schlechtem Essen zu befördern.
So kann die Vorstellung moralisch verwerflicher Handlungen die gleichen
Ekelreaktionen auslösen. Und so ekelt uns die Vorstellung, dass die Haarbürste
von Adolf Hitler benutzt worden ist, selbst wenn alle Haare entfernt und die
Bürste desinfiziert worden wäre.
Genauso
glauben wir auch, dass Essen besser schmeckt, wenn dieses mit Liebe zubereitet
wird. Wir glauben, dass die Essenz irgendwie übertragbar ist. Genauso können
wir uns dreckig fühlen, wenn wir etwas Schlechtes tun. In Verbindung mit einem
unethischen Akt haben häufig Menschen das Bedürfnis, sich zu waschen. Oder sie
reiben sich die Augen, nachdem sie etwas Merkwürdiges gesehen haben.
Und für
Dinge, die in unserem Verständnis inhaltlich miteinander verbunden sind,
unterstellen wir auch eine physische Verbindung. So zögern wir naturgegeben
davor, auf Bilder von Geliebten Personen Dartpfeile zu werfen oder diese zu
verbrennen. Tief in uns verwurzelt ist auch das Verständnis, dass Gleiches
erzeugt Gleiches. Daher werfen wir die Würfel kräftiger, wenn wir hohe Zahlen
erzielen wollen. Denn in der Regel hat die Ursache ähnliche Eigenschaften wie
das Ergebnis: rote Kreide macht rote Schrift, ein kräftig geschleuderter Speer
fliegt weit usw. Intuitiv assoziieren wir wichtig mit groß und Zuneigung mit
Wärme. Aus diesem Grund sind wir nach einer Tasse Kaffee freundlicher zu
Mitmenschen und bewerten Bewerber positiver, wenn wir während des Interviews
ein schweres Klemmbrett verwenden.
Daraus hat
sich wiederum die Vorstellung entwickelt, dass der Beginn einer Sache prägend
für die Zukunft ist, wie die Frage, wer beim Anschneiden der Hochzeitstorte den
Daumen oben hat. Auch dies verdanken wir unserem Instinkt für ‚Gleiches erzeugt
Gleiches‘.
Der
Ansteckungsinstinkt ist ebenso die Grundlage für abergläubische Vorstellungen
im Hinblick auf Namen, Zahlen und Symbole. Hier mag aber auch eine Rolle
gespielt haben, dass wir gelernt haben, mittels Sprache Menschen zum Handeln zu
bringen. Da liegt es nahe, dass Sprache ebenso eine Wirkung auf Dinge oder
Übernatürliches hat. Und damit sind wir schon bei allen erdenklichen Formen von
Ritualen, um unsere Umgebung oder Schicksal zu beeinflussen.
Zum Aberglaube
kommt dann noch unsere Neigung hinzu, Korrelationen herzustellen, selbst wenn
es keine faktische Ursache-Wirkungs-Beziehung gibt. Dennoch nehmen wir
Ereignisse, die in Abfolge geschehen und keine direkt wahrnehmbare Ursache
haben, als ursächlich verbunden wahr. Wenn wir den Kofferraumdeckel zuschlagen
und in dem Moment die Straßenbeleuchtung angeht, glauben wir instinktiv an
einen Zusammenhang auch wenn es reiner Zufall ist und die Vernunft uns das
Gegenteil sagt. Aber unsere Sinne lassen es erst einmal so erscheinen. Automatisch
assoziieren wir deshalb Erfolge mit bestimmten Umständen. Wenn ich dieses
T-Shirt trage, gewinnen wir immer. Unsere Natur ist einfach wenig
wissenschaftlich. Das heißt instinktiv sind wir einzelnen Erlebnissen gegenüber
nicht skeptisch, suchen nicht nach alternativen Erklärungen und gegenteiligen
Belegen.
Hinzu kommt
noch eine intuitive Fehlervermeidungsstrategie: Wenn ein Fehler in eine
Richtung eine höhere Gefahr bedeutet als in die andere, werden wir dazu
tendieren, diese zu vermeiden, selbst wenn wir dadurch mehr Fehler begehen.
Durch abergläubische Rituale gehen wir in den meisten Fällen kein wirkliches
Risiko ein – außer vielleicht uns zu blamieren, wenn wir dies offenlegen. Also
sagen wir uns unterbewusst: „Es kann ja nichts schaden!“ Wie Studien zeigen,
steigt unsere Neigung zu abergläubischen Ritualen in entscheidenden oder
kritischen Situationen. Und zwar sowohl um Glück herauf zu beschwören wie
Flüche oder Unglück zu verhindern. Da klopft man dann gerne mal auf Holz oder
vermeidet beim nächsten Wurf die Kugel, mit der man vorher beim Bowling gepatzt
hat. Als ob das Unglück irgendwie an dieser Kugel hängen würde.
Diese Art
von Aberglaube, zu der wir alle neigen, erscheint einem im Licht der Vernunft
kindisch und irrational. Allerdings gibt er einem auch das Gefühl von Kontrolle
und schützt vor dem Gefühl der Hilflosigkeit. Natürlich steigen die Chancen
eines Gewinns nicht, wenn wir den Lotto- oder Wettschein küssen. Andererseits
kann es uns zu größerem Mut und Ausdauer animieren.
Dieser
natürliche Neigung, Gesetzmäßigkeiten zu entdecken, egal, ob es diese
tatsächlich gibt, verdanken wir auch den Glauben an Glücks- und Pechsträhnen.
Wenn alle Ampeln auf dem Weg grün sind, glauben wir automatisch an eine
Glückssträhne. Sollte man es aber mal eilig haben, sind dann nicht immer die
Ampeln rot? Oder ist die sicherste Vorhersage für Regen nicht, wenn man den
Schirm nicht dabei hat? Oder beschleunigt sich die Abfertigung immer in der
Schlange, nachdem man diese gewechselt hat? Dies hat zum Teil damit zu tun,
dass wir uns stärker auf negative Szenarien konzentrieren und diese in
Erinnerung behalten. Weil wir evolviert sind, um Gefahren zu vermeiden und aus
Fehlern zu lernen. So können wir nachweislich beängstigende Gesichter schneller
erkennen als uns wohl gesinnte. Und das, mit dem wir uns intensiver
beschäftigen, erscheint uns auch wahrscheinlicher.
Gelernt ist
auch das Gesetz der Tendenz zum Durchschnitt. Jeder Ausschlag zum Positiven oder
Negativen wird im Regelfall enden bzw. sich auf lange Sicht hin wieder
ausgleichen. Nun interpretieren wir dies abergläubisch im Sinne von sein Glück
nicht herausfordern: Wenn uns etwas Gutes erfährt, sollten wir nicht zu viel
darüber reden, um nicht das Ende des Glücks herbeizureden. Glücklicherweise
kann man diesen Fluch ja durch Klopfen auf Holz umgehen.
Im eigenen
Handeln gehen Intentionen und Gedanken ja voraus. Insofern liegt es nahe, dass
die eigenen Gedanken auch Einfluss auf andere Dinge ausüben. Hoffnungen und
Erwartungen beeinflussen, wie wir die Welt erleben. Sogar Geschmack und
Farberkennung können über Erwartungen ausgetrickst werden. Insofern ist es
sogar korrekt, dass mentale Prozesse reale Geschehnisse beeinflussen. Wie uns
Spiegelneutronen lehren sogar in beide Richtungen: Handlungen anderer erzeugen
Gehirnaktivität bei uns, ohne dass uns dies bewusst wird, d.h. sehen wir, wie
jemand anderer berührt wird, so aktiviert dies die selben Gehirnregionen wie,
wenn wir selber berührt werden.
Und manch
ein Hirnforscher geht sogar so weit zu behaupten, dass unser freier Wille bloße
Illusion unseres Bewusstseins ist. Weil wir erleben, wie unser bewusster Wille
dem Handeln vorausgeht, glauben wir, unser Wille bestimmt unser Handeln. Es
kann jedoch nachgewiesen werden, dass unser Unterbewusstsein das Handeln
bereits Millisekunden bevor es uns bewusst wird angestoßen hat. Insofern könnte
es sein, dass unser Unterbewusstsein uns lediglich vormacht, dass wir bewusst
handeln.
Wir sind
darauf angewiesen, Muster in der Welt zu erkennen. Nach Ebbe kommt die Flut.
Dinge, die hochgeworfen werden, fallen wieder herunter. Dies ermöglicht es uns
zu überleben. Sonst wäre alles nur Chaos ohne jede Steuerbarkeit. Dabei ist
unsere Fähigkeit, Muster und Gesetzmäßigkeiten zu entdecken und zu
interpretieren viel stärker ausgeprägt als unsere Einschätzung von
Wahrscheinlichkeiten. Selbst die unwahrscheinlichsten Konstellationen passieren
ja, wenn die Fallzahl nur hoch genug ist. Unsere Regelsuche gibt sich einfach
nicht mit Zufällen zufrieden. Also muss es einfach übernatürliche Fähigkeiten
oder Kräfte geben. Hinzu kommt, dass die auffallenden Zufälle uns genauso
stärker im Bewusstsein bleiben wie negative Erlebnisse. Wir bemerken, wenn wir
gerade an eine bestimmte Person denken und diese just in dem Moment anruft. Die
vielen Male aber, in denen wir an die Person denken und sie nicht anruft,
ignorieren wir. Außerdem sind wir dabei viel stärker durch das zu beeindrucken,
was uns selbst wiederfährt, als das, was andere erleben: „Denk nur mal, was mir
passiert ist…“
Ebenso ist
der Glaube an eine Seele intuitiv gegeben. Der Gedanke, dass hinter meinen
Augen ein Ich steckt, ist in jedem Menschen tief verwurzelt. Schließlich können
wir mit uns selbst diskutieren und darüber nachsinnen, wie wir über das
Universum nachsinnen. Wir erleben zudem, dass wir im Kopf ganze Welten
entstehen lassen können, die in gewisser Hinsicht unabhängig von der realen
Welt existieren. Es liegt also nahe, uns unseren Geist als unabhängig vom
Körper bestehende Einheit vorzustellen. Gedanken und Gefühle existieren ja auch
in einer anderen Sphäre als die physische Welt. Und als Kind sollte man lernen,
zwischen inneren und äußeren Phänomenen zu unterscheiden. Wir wachsen somit als
Dualisten auf. Wir erleben unser Bewusstsein als unabhängig vom Körper und
können uns Unbewusstsein nicht vorstellen, weil wir es nicht erfahren. Insofern
ist der Schritt zum Glauben an eine Seele, die unabhängig vom Körper
weiterexistiert, nicht weit. Bewusster Wille und die Differenzierung zwischen
mentaler und physischer Realität ist der Ursprung der Vorstellung der Seele.
Hinzu kommt, dass wir nach dem Tod von Menschen ja auch noch Erinnerungen an
diese Menschen hegen und sogar in unserem Kopf Gespräche mit ihnen führen
können. Wir können uns problemlos vorstellen, was die Person jetzt machen, wie
sie zu diesem oder jenem Thema stehen würde usw. Das ist für uns so real, als
ob die Person noch leben würde. Phrasen wie „Sie hätte es so gewollt“, sind uns
allen vertraut.
Außerdem
konditioniert uns das so genannte ‘Offline Social Reasoning’ zum Glauben an
eine Seele. Wir lernen, auch über die Wünsche und Bedürfnisse von Personen
nachzudenken, die gerade nicht präsent sind. Wie wird wohl der Partner darüber
denken, wenn er zurück von der Jagd ist? Wir lernen, dass Menschen, die nicht
anwesend sind, irgendwo da draußen sind und weiter existieren. ‚Aus den Augen,
aus dem Sinn‘ ist nicht die normale Erfahrung.
Ein weitere
natürliche Neigung von uns sozialen Wesen ist es, in allen erdenklichen Dingen
Personen zu entdecken und diese wie Personen zu behandeln. Wir geben Autos
Namen, schreien Objekte an, wenn sie nicht wie gewollt funktionieren,
bezeichnen Pflanzen als durstig usw. Außerdem sind wir konditioniert, allem und
jedem eine Absicht zu unterstellen – zumindest allem, was uns etweder Leid oder
Freude verursacht. Dabei ist dies natürlich für unsere sozialen Beziehungen
elementar, anderen Personen genauso wie uns einen Willen, Wünsche und
Bedürfnisse zuzuschreiben. Nur dadurch sind wir in der Lage, andere Menschen zu
verstehen und ihre Reaktionen zu erahnen. Genauso uns selbst zu reflektieren
und zu kontrollieren. Wie grundlegend diese Fähigkeit ist, ist uns kaum
bewusst, weil es so natürlich und unbewusst vor sich geht.
Jetzt müssen
wir nur noch in anderen Dingen und Phänomenen die Möglichkeit eines Willens
sehen, und schon projizieren wir unsere Erfahrungen mit uns selbst auf diese
Person oder Objekt. Alles, was wir als selbstständig handelnd annehmen, können
wir innerhalb weniger Millisekunden erkennen und zuweisen. Und dann versuchen
wir sie zu beeinflussen durch Bitten (Gebet), Komplimente (Lobpreisung),
Großzügigkeit (Opfer), Entschuldigung (Konfession), Wiedergutmachung (Buße),
Besuch (Pilgerreise, Gottesdienst) und Lobbyismus (Einflussnahme mittels
Heiliger, Engel oder anderer göttlicher Fürsprecher).
Wir können
nicht anders, als Gesetzmäßigkeiten und Absicht in unserer Umgebung feststellen
zu wollen. Dies hat in unsere Evolution häufig den Unterschied ausgemacht
zwischen eine Mahlzeit zu haben oder eine zu sein. Und besser, ein falscher
Alarm als kein Alarm. Lieber mal einen Baumstumpf als Bären identifizieren als
einen wütenden Bären übersehen.
Gemäß der
natürlichen Fehlervermeidungsstrategie nach Risikoeinschätzung macht es auch
Sinn, selbst dann davon auszugehen beobachtet zu werden, wenn dies nicht der
Fall ist. Denn werde ich bei einer schlechten Handlung erwischt, ist
wahrscheinlich mein Ruf ruiniert, ich werde aus der Gruppe ausgestoßen oder
sogar getötet. Also ist es besser, die Wahrscheinlicheit des Beobachtetwerdens
möglichst hoch einzuschätzen. Auch erleben wir ein Hin- und Hergerissensein
zwischen egoistischen und sozialen Motiven, die quasi in unserem Kopf um die
Vorherrschaft kämpfen. Diese Motive jeweils äußeren guten und schlechten
Kräften oder Geistern zuzuschreiben liegt nahe.
Von der
Absicht, die wir unterstellen, ist es wiederum ein kleiner Schritt zu Sinn und
Zweck, die wir natürlich in Dingen sehen. Für kleine Kinder sind Wolken zum
Regenmachen da und die Sonne, um uns zu wärmen und Licht zu geben. Per default
unterstellen wir immer einen Sinn und Zweck. Und wenn uns etwas nicht
wiederfährt, so sollte es eben nicht sein.
Glück ist
wiederum mit Dankbarkeit verknüpft, was ein soziales Gefühl ist. Glück haben
hat dabei weniger mit dem absoluten Zustand des Wohlbefindens zu tun, sondern
vielmehr mit der Nähe oder Wahrscheinlichkeit, dass es auch ganz anders
aussehen könnte. So wird ein glimpflich abgelaufener Unfall als Glücksfall
empfunden. Und wir erleben unser Leben im Rückblick immer als Geschichte: Dies
oder jenes geschah, damit dies möglich wurde usw. Das nachfolgende Geschehen
verleiht dem ersten einen anscheinenden Sinn. Hier kommt also wiederum unsere
Neigung ins Spiel, Muster und Gesetzesmäßigkeiten erkennen zu wollen sowie die
Erfahrung von Ursache-Wirkung, selbst wenn es zusammenhanglose Ereignisse sind.
Dabei ist dies sicherlich ein gesundes Phänomen, welches allzu viel Bereuen
verhindert. Und Schicksalsschläge können natürlich auch positive Effekte nach
sich ziehen, wie die gestiegene Wertschätzung des Lebens. Und so erscheint
unser Leben im Rückblick geplant und gesteuert. Vieles ergibt im Nachhinein
Sinn, indem wir es uns im Kopf passend machen. Wenn wir hören, dass ein Junge,
der einen Apfel gestohlen hat, anschließend von einem Auto angefahren wurde,
stellen wir automatisch eine Verbindung her.
Die
Irrationalität der Religion und des Aberglaubens ist also sozusagen das Produkt
der Konditionierung unseres Gehirns. Die Instinkte, die uns in der Savanne über
Hunderttausende Jahre erfolgreich überleben und entwickeln ließen, zeigen nun
ihre Auswirkungen in der Verehrung übernatürlicher Kräfte und Personen sowie
abergläubiger Rituale und Vorstellungen. Es wird sogar vermutet, dass die
starke Bindung in einer Partnerschaft und gegenüber Kindern, die ja auch weit
über die vernunftmäßigen Vorteile hinausgeht, sich in der Verehrung von Göttern
wiederfindet. Kein Wunder, dass die religiöse Verehrung dann ebenso wie die
romantische Liebe mit starken Gefühlen verbunden ist. Und auch das Festhalten
an Glaubensvorstellungen und Traditionen sowie Respekt vor Autoritäten trotz
gegenteiliger Argumente hat gewisse evolutionäre Vorteile. Denn Wankelmut und
das Infragestellen von Hinweisen der Älteren konnte in der Frühzeit der Evolution
lebensgefährlich sein.
Die Überlebens- und Fortpflanzungsfähigkeit hing nicht davon ab, wie richtig oder akkurat die Wahrnehmung des Umfelds war, sondern wie hilfreich und nützlich. Viele Tricks, die uns unser Gehirn spielt, sind dabei nützlich bzw. haben oder hatten Vorteile, die die Nachteile überwogen. Sie haben die Menschheit häufiger vor fatalen Gefahren bewahrt und dabei unsinnige Interpretationen in Kauf genommen. Heutzutage gilt es aber, derartige abergläubische Rituale und Vorstellungen kritisch zu hinterfragen, auch wenn sie uns nach wie vor das Gefühl verleihen, Kontrolle und Einfluss auf unser Schicksal zu haben und uns weniger hilflos und ausgeliefert fühlen lassen. Und obwohl viele fundamentale Gläubige die Evolution des Menschen ablehnen, ist die Ironie, dass gerade die Evolution des Menschen diese Ablehnung aufgrund des Glaubens an das Übernatürliche begünstigt.