Es muss einfach gesagt werden: Das
naturwissenschaftliche Weltbild der Bibel ist wissenschaftlich veraltet! Man
mag die Aussagen von Genesis noch so verbiegen. Ja, vielleicht meinten die
Autoren tatsächlich Gene oder Atome als sie von Staub sprachen, aus dem der
Mensch gestaltet wurde. Denn es gab damals keinen Begriff für kleinere Elemente
als die für das Auge Sichtbaren. Und ja, vielleicht bedeutet die Schöpfung der
Sonne am vierten Tag der Schöpfung wirklich, dass die Sonne von der Erde aus
sichtbar wurde, da die Atmosphäre sich vom Dunst befreite.
Wir müssen nicht annehmen, dass die
biblischen Autoren naturwissenschaftliche Erkenntnisse erhielten, die ihre
Kultur weit überstieg, um unseren Glauben an die Schriften aufrecht zu
erhalten. Die Bibel ist nicht dazu da, um die Entfernung von
der Erde zur Sonne zu berechnen oder das Alter von Fossilien zu bestimmen.
James E. Talmage warnt uns:
Die Anfangskapitel von Genesis waren
niemals als Lehrbuch für Geologie, Archäologie, Erdkunde oder Biologie gedacht.
… Wir zeigen keine Achtung vor den Heiligen Schriften, wenn wir sie durch
falsche Interpretation missbrauchen.
Die naturwissenschaftliche und
geschichtliche Akkuratheit ist für Heilige Schriften nicht das ausschlaggebende
Argument.
Man darf beim Studium des Alten Testaments
nicht von der modernen abendländischen Kultur ausgehen und unsere heutige
Denkweise zum Maßstab für die Beurteilung orientalischer Verhältnisse machen.
Weit bis ins Mittelalter hinein war Geschichte ein Zweig der Literatur und
nicht der Wissenschaft. Die Geschichte war ein Reservoir an moralischen
Lektionen, glaubensstärkenden Geschichten und Beispielen an Glauben und
Hingabe. Aristoteles schrieb:
Die
künstlerische Darstellung von Geschichte ist eine anspruchsvollere und
ernsthaftere Aufgabe als das genaue Schreiben von Geschichte... Das Ziel der
Kunst liegt darin, nicht die äußere Erscheinung von Dingen darzustellen,
sondern ihre innere Bedeutung. Denn dies, und nicht die äußeren Details, ist
wahre Realität.
Diejenigen, die an eine übernatürliche
Schöpfung glauben und die natürliche Evolution ablehnen, müssten übrigens
ebenso die meterologischen Erkenntnisse über die natürlichen Ursachen von
Niederschlag verneinen. Heißt es doch in Ijob 5:10 über Gott:
Er spendet Regen
über die Erde hin und sendet Wasser auf die weiten Fluren.
Die Entstehung von Regen wurde zu
biblischen Zeiten genauso als ein Wunder angesehen wie die Entstehung der Tier-
und Pflanzenarten. Beides ist durch neuere Erkenntnisse durch natürliche
Prozesse erklärbar.
Der Prozess der Entstehung der Bibel ist
ebenfalls von natürlichen, menschlichen Elementen beeinflusst, wie sie auch bei
weltlicher Literatur in Erscheinung treten. Das israelitische Volk war von
altertümlichen Mythen und Traditionen geprägt und von heidnischen Kulten
umgeben und durchdrungen. Lange Zeit war es eher eine Minderheit des Volkes,
die den wahren Gott verehrt hat.
Da
antworteten alle Männer, die wussten, dass ihre Frauen anderen Göttern
opferten, und alle Frauen, die dabeistanden, eine große Schar, sowie alle
Leute, die in Ägypten und in Patros wohnten, dem Jeremia: Was das Wort
betrifft, das du im Namen des Herrn zu uns gesprochen hast, so hören wir nicht
auf dich. Vielmehr werden wir alles, was wir gelobt haben, gewissenhaft
ausführen: Wir werden der Himmelskönigin Rauchopfer und Trankopfer darbringen,
wie wir, unsere Väter, unsere Könige und unsere Großen in den Städten Judas und
in den Straßen Jerusalems es getan haben. (Jeremia 44:15-17)
So musste Elia trotz seines
Sieges beim Wettbewerb gegen die Baalspriester vor Isebel außer Landes fliehen.
Und selbst im Tempel zu Jerusalem wurde die meiste Zeit seiner Existenz die
Schlangengöttin Nehuschtan und die Göttin Ascherah verehrt. Und immer wieder
lesen wir davon, wie heidnische Kultstätten und -objekte eingeführt oder
zerstört wurden:
Sie verließen den Herrn, den Gott ihrer Väter, der sie aus Ägypten
herausgeführt hatte, und liefen anderen Göttern nach, den Göttern der Völker,
die rings um sie wohnen. Sie warfen sich vor ihnen nieder und erzürnten dadurch
den Herrn. (Richter
2:12)
Salomo verehrte Astarte, die Göttin der
Sidonier, und Milkom, den Götzen der Ammoniter und baute auf dem Berg
östlich von Jerusalem eine Kulthöhe für Kemosch, den Götzen der Moabiter, und
für Milkom, den Götzen der Ammoniter. (1. Könige 11:5,7)
Er
schaffte die Kulthöhen ab, zerbrach die Steinmale, zerstörte den Kultpfahl und
zerschlug die Kupferschlange, die Mose angefertigt hatte und der die Israeliten
bis zu jener Zeit Rauchopfer darbrachten - man nannte sie Nehuschtan. (2. Könige 18:4)
Das Judentum hat sich erst langsam aus
diesem „heidnisch“ geprägten Hintergrund heraus entwickelt. Dazu gehörte eine
Verschmelzung der diversen kultischen Feste und Riten. Das jüdische
Laubhüttenfest stimmt beispielsweise überein mit dem Neujahrsfest (ähnlich wie
das Datum von Weihnachten und Ostern heidnische Ursprünge hat). Gleiches gilt
für Mythen und Legenden, die von den biblischen Autoren auf Jahwe umgeschrieben
oder angepasst wurden, aber ursprünglich in heidnischen Vorstellungen
gründeten. Dass die biblischen Autoren vorhandenes kulturelles und kultisches
Material verarbeiteten, lag auch daran, dass die Menschen zu der damaligen Zeit
in viel geringerem Maße als heute in der Lage waren, neue Informationen
aufzunehmen. Die Menschen waren viel stärker in Traditionen verwurzelt. Sie übernahmen
die mündlichen Überlieferungen ihrer Ahnen, statt neue Informationen in Büchern
oder dem Internet zu suchen. Wir können uns kaum vorstellen, was damalige
Traditionen, fast ausschließlich mündliche und lokal begrenzte Vermittlung für
das Lernen und die Aufnahme neuer Ideen bedeutet hat.
Die Geschichtsschreibung wie wir sie heute
kennen, hat es schlicht und ergreifend nicht gegeben. Am gängigsten waren hingegen
so genannte poetische Erzählungen, die keine nüchterne Geschichtsschreibung
war, obwohl sie auch auf beobachteten Tatsachen beruhte, aber unbefangen mit
Gebilden der Fantasie gemischt wurde, um zu belehren, zu erfreuen, zu rühren,
zu begeistern und zu unterhalten. Solche erdichteten Geschichten haben die
Menschheit von ihren frühesten Zeiten an begleitet; sie sind gewöhnlich neben
den Liedern das Älteste, was von der geistigen Kultur der Völker erhalten
geblieben ist. In Form von Romanen sind sie nach wie vor verbreiteter als
Sachbücher und streng geschichtliche Darstellungen. Im Gegensatz zur heutigen
Zeit pflegten die älteren Völker jedoch, an diese poetischen Erzählungen zu
glauben und Roman und Sachbuch bedenkenlos zu vermengen. Wir können zwischen
bewusster Dichtung und wirklich geschehenen Begebenheiten unterscheiden und
Erzählungen in der Regel einem bestimmten Autor zuordnen. Im Gegensatz dazu ist
sie bei früheren Kulturen Allgemeingut und Teil der Tradition, Identität und
Überlieferung wie die Sprache. Sie hat sich über Jahrhunderte von Mund zu Mund
fortgepflanzt und Unzählige haben sie verändert und angepasst.
So hat natürlich auch Israel und seine
umliegenden Völker solche „erdichteten“ Geschichten besessen. Ansonsten hätte
Israel eine wunderliche wie traurige Ausnahme gebildet. Und diese haben
selbstverständlich auch ihren Weg ins Alte Testament gefunden.
Im Laufe der Jahre werden bei mündlicher
Überlieferung Geschehnisse und Personen nahezu selbstverständlich übertrieben,
übersteigert, dramatisiert und glorifiziert. Aus einer kleinen Horde wird eine
Armee, der gewöhnliche Prinz zu einem übermenschlichen Helden. Nur so werden
die Berichte erinnert und können ihr Publikum fesseln. Und um im Gedächtnis zu
bleiben, werden sie in bekannte Formen gepresst oder in poetische Reimform
gebracht.
Also sollten wir
nicht erschrecken, wenn wir im Alten Testament Mischungen mit Märchenmotiven,
Fabeln, Heldenlegenden und -sagen vorfinden. Manch einer hält es für einen
Angriff auf die Würde und den Status der Heiligen Schrift, in der Bibel nach
mythischen und sagenhaften Spuren zu suchen.
So erzählt das Alte Testament von
matriarchalischen Tempelkulten (2. Könige 23:7), der Frühlingsgott als
„Liebling der Frauen“ wurde verehrt (Daniel 11:37). Kulthandlungen finden in
geheimnisvollen Hainen, an Quellen, heiligen Brunnen und geweihten Steinen
statt. Auch die Königsmutter hatte eine besondere kultische Rolle. Oder wir
lesen von einer wundersamen Pflanze, die Luther als Liebesäpfel übersetzt hat
und für die Rahel sogar auf eine Nacht mit Jakob verzichtet:
Einst
ging Ruben zur Zeit der Weizenernte weg und fand auf dem Feld Alraunen. Er
brachte sie seiner Mutter Lea mit. Da sagte Rahel zu Lea: Gib mir doch ein paar
von den Alraunen deines Sohnes! Sie aber erwiderte ihr: Ist es dir nicht genug,
mir meinen Mann wegzunehmen? Nun willst du mir auch noch die Alraunen meines
Sohnes nehmen? Da entgegnete Rahel: Gut, dann soll Jakob für die Alraunen
deines Sohnes heute Nacht bei dir schlafen. Als Jakob am Abend vom Feld kam,
ging ihm Lea entgegen und sagte: Zu mir musst du kommen! Ich habe dich nämlich
erworben um den Preis der Alraunen meines Sohnes. So schlief er in jener Nacht
bei ihr.
(Genesis 30:14-16)
Dass Sagen, Mythen und mündliche
Überlieferungen der Israeliten das Rohmaterial für die alttestamentlichen
Redakteure bildeten, zeigt sich unter anderem in der Simson-Sage. Es ist doch
schwer zu glauben, dass Simson den Löwen mit bloßen Händen zerriss, als würde
er ein Böckchen zerreißen. (Richter 14:6) Oder dass er den noch blutigen
Kinnbacken eines Esels fand, ihn mit der Hand ergriff und damit tausend Männer
erschlug (Richter 15:5).
Oder wir finden Passagen, in denen Gott
ebenso wie in kultischen Mythen als Kämpfer gegen Ungeheuer und Drachen dargestellt
wird:
Wach
auf, wach auf, bekleide dich mit Macht, Arm des Herrn! Wach auf wie in den
früheren Tagen, wie bei den Generationen der Vorzeit! Warst du es nicht, der
die Rahab zerhieb und den Drachen durchbohrte? (Jesaja 51:9)
Man denke auch an die dreimalige fast
identische Begebenheit, in der Sara als Schwester statt Ehefrau Abrahams ausgegeben
wurde (Genesis 12:10-20; 20:1-18 und 26:1-11). Typisch ist auch die
„fabelhafte“ Beseelung der Natur, die sich in vielen biblischen Ausdrücken
wieder findet. Das sind allerdings alles nur allegorische Bilder, nicht aber
wirklicher Glaube, im Gegensatz zu anderen urtümlichen Kulturen.
Selbst
die Zypressen und die Zedern des Libanon machen sich über dich lustig. (Jesaja 14:8)
Das
Meer sah es und floh, der Jordan wich zurück. Die Berge hüpften wie Widder, die
Hügel wie junge Lämmer. (Psalm 114:3,4)
Berge
und Hügel brechen bei eurem Anblick in Jubel aus, alle Bäume auf dem Feld
klatschen Beifall. (Jesaja
55:12)
Die Morgenröte wird als Wesen mit Flügeln
aufgefasst (Psalm 139:9), die Unterwelt als Ungeheuer (Jesaja 5:14) und am Ende
der Erde hat Gott der Sonne ein Zelt gebaut (Psalm 19:5).
Richter 9 enthält die „Fabel vom König der
Bäume“, die Jotam den Bürgern von Sichem nach der Krönung seines Bruders
Abimelech zum König erzählt hat. Das Alte Testament kennt auch die Vorstellung
von einem Königreich der Tiere (Ijob 41:26). Übrigens soll Gott Ninive auch
wegen der vielen Tiere verschont haben (Jona 4:11), die sich am Fasten
beteiligen mussten (Jona 3:7). Irgendwie süss! Auch der legendäre Vogel Phönix
war bekannt (Ijob 29:18), der aus der Asche in frischer Jugend emporsteigt.
In Baruch (3:16, 17) wird an sagenumwobene
Könige erinnert:
Wo
sind die Gebieter der Völker? Sie herrschten sogar über die Tiere der Erde und
spielten mit den Vögeln des Himmels.
Im Alten Testament gibt es auch die
Vorstellung von gefesselten Sternbildern und Kindern von Sternen: Knüpfst du die Bande des Siebengestirns oder
löst du des Orions Fesseln? Führst du heraus des Tierkreises Sterne zur
richtigen Zeit, lenkst du die Löwin samt ihren Jungen? (Ijob 38:31, 32)
Eine ehemals heidnische Legende wurde in
Exodus 4:24-26 verarbeitet:
Unterwegs
am Rastplatz trat der Herr dem Mose entgegen und wollte ihn töten. Zippora
ergriff einen Feuerstein und schnitt ihrem Sohn die Vorhaut ab. Damit berührte
sie die Beine des Mose und sagte: Ein Blutbräutigam bist du mir. Da ließ der
Herr von ihm ab. «Blutbräutigam», sagte sie damals wegen der Beschneidung.
Sicherlich eine wilde, rohe Geschichte aus
der Urzeit, die zunächst keinen Bezug zu Jahwe hatte, sondern von Dämonen handelte.
Später wurde sie dann auf den Gott Israels übertragen. Das Wort „Beine“ ist
übrigens ein zurückhaltender Ausdruck für „Scham“. In dem Bestreben, nur Jahwe
zu verehren, wurden Erzählungen über heidnische Götter und Dämonen entweder
verbannt oder einfach Jahwe zugeschrieben – egal, ob das dann wirklich Sinn
machte oder nicht.
Dass alte Legenden und Kulte im AT
verarbeitet wurden, zeigt auch Genesis 14, wo von einem Kultdrama berichtet
wird. Da treffen sich neun Könige zu einem rituellen Kampf in einem Tal und der
König von Sodom fällt auf der Flucht in ein Erdpechgrube, wenige Verse später
zieht er aber wieder quicklebendig durch die Gegend. Alles Anzeichen für die
weit verbreitete archaische Kultpraxis des Königsopfers: der König muss
symbolisch in die Unterwelt hinabsteigen, um anschließend wiedergeboren zu
werden. Hier wurde also höchstwahrscheinlich aus der kultischen Liturgie eine
Geschichte gemacht.
Auch Jakobs Ringen mit dem Herrn (Genesis
32:23-33) könnte eine vorisraelitische Furtlegende über Dämonen, die kein Tageslicht
ertragen, zugrunde liegen. Wurde sie gewaltsam umgedeutet, um sie von der
Vielgötterei zu befreien? Handelt es sich um Geschichtsfälschung? Die Botschaft
könnte lauten: Glaube heißt mit Gott ringen und ihn nicht loslassen, bis man
Segen empfängt. Darum geht es doch eigentlich. So erwartet man bei einem
Kriminalroman auch keinen Tatsachenbericht oder die akkurate Beschreibung von
Polizeiarbeit.
Das Besondere an Mose wird dadurch
ausgedrückt, dass er bis zu seinem Tod seine Manneskraft nicht verloren haben
soll (Deut 34:7). Wahrscheinlich wurde auch die Geburtslegende König Sargons I.
auf Mose projiziert, um ihm idealbiografische Züge zu verleihen - von der
wundersamen Bewahrung bei seiner Geburt bis zu einem wundersamen Tod. Der
babylonische König Sargon wurde angeblich von seiner Mutter in ein Kästchen aus
Rohr, dessen Tür mit Erdpech verschlossen war, auf den Euphrat ausgesetzt, aber
von einem Gärtner gefunden und aufgezogen.
Von einem schaurigen Schönheitsmittel wird
in 1. Könige berichtet:
Als man im Teich von Samaria den Wagen ausspülte,
leckten Hunde sein Blut, und Dirnen wuschen sich darin, nach dem Wort, das der
Herr gesprochen hatte. (1. Könige 22:38)
Man wollte den König noch nach seinem Tod
verunehren. Die Praxis entstammt dem Glauben, dass das Blut eines Königs
Schönheit verleiht, was besonders im Kreise der Dirnen verbreitet war.
Auch wenn das Alte Testament kein
Märchenbuch ist, beinhaltet es doch viele klassische Märchenmotive:
Wunschdinge: Der Mehltopf wird nicht leer werden und der
Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der Herr wieder Regen auf den
Erdboden sendet. (1. Könige 17:14)
Freie Wünsche: In Gibeon erschien der Herr dem Salomo
nachts im Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir
gewähren soll. (1. Könige 3:5)
Geisterreisen: Er streckte etwas aus, das wie eine Hand
aussah, und packte mich an meinen Haaren. Und der Geist hob mich empor zwischen
Erde und Himmel und brachte mich in einer göttlichen Vision nach Jerusalem
(...). (Ezechiel 8:3)
Riesenlegenden: Dort wurden die Riesen geboren, die
berühmten Männer der Urzeit, hoch an Wuchs und Meister im Kampf. Und doch hat
Gott nicht diese erwählt, nicht ihnen den Weg der Weisheit gezeigt. Sie gingen
zugrunde, weil sie ohne Einsicht waren; ihrer Torheit wegen gingen sie unter.
(Baruch 3:26-28); Goliat: Auf seinem Kopf
hatte er einen Helm aus Bronze und er trug einen Schuppenpanzer aus Bronze, der
fünftausend Schekel wog [1 Schekel = 12g, das heißt 60kg]. (1. Samuel
17:4); In jenen Tagen gab es auf der Erde
die Riesen, und auch später noch, nachdem sich die Gottessöhne mit den
Menschentöchtern eingelassen und diese ihnen Kinder geboren hatten. Das sind
die Helden der Vorzeit, die berühmten Männer. (Genesis 6:4)
Wunderkraft des
Körpers von Gottesmännern: Als man einmal
einen Toten begrub und eine dieser Scharen erblickte, warf man den Toten in das
Grab Elischas und floh. Sobald aber der Tote die Gebeine Elischas berührte,
wurde er wieder lebendig und richtete sich auf. (2. Könige 13:21)
Zauberstab: Als Mose am nächsten Tag zum Zelt der
Bundesurkunde kam, da war der Stab Aarons, der das Haus Levi vertrat, grün
geworden; er trieb Zweige, blühte und trug Mandeln. (Numeri 17:23)
Veränderung des
Laufs der Sonne: Siehe, ich lasse den
Schatten, der auf den Stufen des Ahas bereits herabgestiegen ist, wieder zehn
Stufen hinaufsteigen. Da stieg der Schatten auf den Stufen, die er bereits
herabgestiegen war, wieder zehn Stufen hinauf. (Jesaja 38:8); Und die Sonne blieb stehen und der Mond
stand still, bis das Volk an seinen Feinden Rache genommen hatte. Das steht im
«Buch des Aufrechten». Die Sonne blieb also mitten am Himmel stehen und ihr
Untergang verzögerte sich, ungefähr einen ganzen Tag lang. (Josua 10:13)
Zaubermittel: Doch er befahl: Bringt mir etwas Mehl! Er
streute das Mehl in den Topf und sagte: Setzt es nun den Leuten zum Essen vor!
Jetzt war nichts Schädliches mehr im Topf. (2. Könige 4:41)
Mit Blindheit
schlagen: Als dann die Aramäer anrückten,
betete Elischa zum Herrn und rief: Schlag doch diese Leute mit Verblendung! Und
der Herr schlug sie auf das Wort Elischas hin mit Verblendung. Daraufhin sagte
Elischa zu ihnen: Das ist nicht der richtige Weg und nicht die richtige Stadt.
Folgt mir! Ich werde euch zu dem Mann führen, den ihr sucht. Er führte sie aber
nach Samaria. Als sie dort angekommen waren, betete Elischa: Herr, öffne ihnen
die Augen, damit sie sehen. Der Herr öffnete ihnen die Augen und sie sahen,
dass sie mitten in Samaria waren. (2. Könige 6:18-20)
Verwandlung von
Menschen in Tiere: Noch in derselben
Stunde erfüllte sich dieser Spruch an Nebukadnezzar: Man verstieß ihn aus der
Gemeinschaft der Menschen und er musste sich von Gras ernähren wie die Ochsen.
Der Tau des Himmels benetzte seinen Körper, bis seine Haare so lang wie
Adlerfedern waren und seine Nägel wie Vogelkrallen. (Daniel 4:30)
Vorgeprägte Motive:
So wie Ritter Drachen töten, haben Helden im alten Israel Löwen getötet
(Simson: Richter 14:5,6; David: 1. Sam. 17:34-36).
Ganz wichtig ist zu bedenken, dass das
geschriebene Wort historisch relativ spät eingesetzt hat und in der Antike nur
sehr Wenigen zugänglich war. Die älteste Schrift ist die der Sumerer, die um 3
000 v.Chr. in Mesopotamien entwickelt wurde. Bis zum Reich Davids (930 v.Chr.)
hat man wenig geschrieben und eher erzählt und gesungen. Erst am königlichen
Hof gab es Männer, die schreiben konnten und die Muße hatten, die vorher im
Nomadentum oder während der Eroberungskriege fehlte. Schreiben war viel
schwieriger, Schreibmaterial – nämlich Tontäfelchen - umständlicher zu
handhaben und zu transportieren. Außerdem waren die ältesten Schriften
unvollständig, mehrdeutig und kompliziert. Anfangs diente sie lediglich für
plumpe Aufzeichnungen im Telegrammstil. Die sumerische Keilschrift ermöglichte
zwar Prosa, aber nur in einer komplizierten Mischung aus Hunderten Logogrammen
und Zeichen. Die Kunst des Schreibens blieb daher lange ausgebildeten
Schreibern vorbehalten, die im Dienst der Könige standen. Etwa 90 Prozent der
Schrifttafeln aus den ältesten sumerischen Archiven sind reine buchhalterische
Auflistungen.
Die Schreiber haben dann aus den
vorhandenen Legenden eine Vergangenheit erschaffen, welche sie für das
auserwählte Volk als würdig erachteten. Dass eine Nation sich die eigene
Vergangenheit glorreich ausschmückt, ist weder ungewöhnlich noch selten. Dieser
„Propaganda-Effekt“ zeigt sich auch in der Rechtfertigung der Tötung von Sauls
Nachkommen durch David beziehungsweise seine bereitwillige Auslieferung der
sieben Söhne an die Philister. Dass Personen, die einem König den Thron
streitig machen könnten, umgebracht wurden, war keine Seltenheit. Übrigens ist
der Bericht, dass sie zur Erntezeit getötet wurden, ebenso wie von Davids
Umgang mit den Gebeinen ein Hinweis auf heidnische Praktiken.
Viele historische Ereignisse wurden im
Verlauf der Geschichte Israels und je nach Standpunkt anders verstanden und
interpretiert. Es macht eben einen Unterschied, ob ein Profet aus dem Nordstaat
Israel oder dem Südstaat Juda kam, ob man aus der Perspektive des gerade
vollzogenen Übergangs vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit, vom Übergang des
Stammesbündnisses in Kanaan zum Königreich oder der Blüte des israelischen
Reiches unter Davids und Salomos Regentschaft blickt. Die biblischen Berichte
wurden hierbei mehrfach überarbeitet, beispielsweise während der Restauration
des Tempels und der Reformation unter König Josua (639 bis 609 v.Chr.), der
festgestellt hatte, dass das Volk den Herrn verlassen und anderen Göttern
geopfert hat (s. 2. Könige 22:17). Ein Großteil des Alten Testaments wurde gar
erst nach der Deportation nach Babylon im 6. Jahrhundert vor Christi verfasst.
Die biblischen Redakteure haben zudem verschiedene
Quellen und Berichte zu einem einheitlichen Buch zusammengefügt. Einige Bücher,
die es einst gegeben hat, sind verloren gegangen: In Numeri 14:9 spricht es von
einem Buch der Kriege des Herrn und
in Josua 10:13 vom Buch des Aufrechten.
Hin und wieder erkennt man Nahtstellen
zwischen verschiedenen zugrunde liegenden Quellen:
Da
ging Mose zum Volk hinunter und sagte es ihnen. (Exodus 19:25)
Dann
sprach Gott alle diese Worte. (Exodus 20:1)
Dadurch sind einige Widersprüche
aufgekommen. Sara soll demnach mit 60 Jahren immer noch so begehrenswert
gewesen sein, dass der Pharao sie bei ihrem Aufenthalt in Ägypten in sein Harem
holt. Und selbst mit 90 Jahren hätte sie so viel Liebreiz besessen, dass sie
noch einmal dasselbe durchmacht (siehe Genesis 20). Oder es kam zu Dubletten
etwa bei der wundersamen Beschaffung von Trinkwasser (Exodus 17:1-7 und Numeri
20:1-12).
Zu den Duplikaten zählen auch die zwei
Schöpfungsberichte einmal in Genesis 1 und Genesis 2 (ab Vers 4, zweiter Satz)
und 3, die zwei Berichte von Hagar und Ischmaels Vertreibung (Genesis 16 und
21) sowie die zwei Berufungen Moses (Exodus 3 und 6). Die Schöpfungsberichte
waren vermutlich zunächst zwei getrennte Erzählungen, die nachträglich als
geistige und körperliche Schöpfung zusammengesetzt wurden. Durch das
Verarbeiten und Zusammenfügen verschiedener Quellen erklärt sich auch, dass
Noach mal sieben Paare der reinen Tiere in die Arche nimmt (Genesis 7:2) und
dann scheinbar generell nur jeweils ein Paar (Genesis 7:9, 15). Mal wird von
Sinai, mal von Horeb als dem Berg gesprochen, auf dem der Herr seinen Bund
gebracht hat. Mal heißen die Menschen in Palästina Kanaaniter, mal Amoriter.
Neben althebräischer Sagen und
Überlieferungen wurden auch Vorstellungen angrenzender Völker verarbeitet. Die
einwandernden Stämme Israels übernahmen die Sprache der Kanaaniter und damit
auch Erzählungen, Festzeiten, Heiligtümer, Riten und Gebräuche (siehe auch
Sprichwörter 30:1; 31:1). Dies erklärt die vielen Übereinstimmungen mit Traditionen,
die im Ugaritischen und anderen kanaanäischen Kulten beheimatet sind. Zum Teil
geschah dies bewusst, da die Menschen mit diesen Mythen vertraut waren. Dadurch
wurden gerade die Unterschiede zu den anderen Göttern vermittelt.
Beispielsweise dass Jahwe nicht das Schicksal seines Volkes im Voraus bestimmte
oder selbstsüchtig und willkürlich handelte .
Das
Alte Testament ist somit ein komplexes Produkt seiner Zeit und Kultur, der
damaligen Art des Erzählens und Schreibens sowie des damaligen Verständnisses
der Welt.