Lehre und Bündnisse lehrt uns, dass Gott unbegrenzt, ewig
und unveränderlich ist, dass er uns aus Intelligenzen gezeugt hat und wir
dereinst Götter wie er werden können. Joseph Smith hat darüber hinaus auch
gelehrt, dass Gott dereinst ein Mensch war wie wir. Außerdem lernen wir, dass
Gott zwar durch ewige Gesetze begrenzt ist, einen endlichen Körper besitzt und
auf einem bestimmten Planeten weilt, er andererseits aber alles mit seiner
Macht durchdringt und erhält, allwissend und allmächtig, vollkommen gut und
gerecht ist. Wobei es unklar ist, ob Allwissenheit bedeutet, dass Gott schon
genau die Zukunft kennt und sieht oder nur gut voraussagen kann.
Wenn es also einen Zeitpunkt gegeben haben muss, an dem nur
Materie und Intelligenzen existiert haben, wie sind dann Menschen und Planeten
entstanden, aus denen dann Götter erwachsen konnten? Aber ohne Götter-Paare
keine Geistkinder, keine Menschen und keine Götter. Und um Gott zu werden, muss
man ja vorher Mensch gewesen sein. Wenn Menschen aber nur durch Götter gezeugt
werden können, geht das ja nicht. Insofern macht das ganze Konstrukt von ewigem
Fortschritt keinen Sinn, da es immer den Menschen und einen bereits
existierenden Gott gleichzeitig voraussetzt.
Auch ist es logisch unmöglich, dass ein Wesen mit endlichem
Wissen durch Vermehrung von Wissen irgendwann unendliches Wissen erlangt. Unendlichkeit
kann niemals durch Kombination von Begrenztheit entstehen, es sei denn, man
geht von einer Grenze aus, wonach es kein zusätzliches Wissen mehr geben kann.
Weiterhin rational widersprüchlich ist die Entwicklung des
Gottesbilds von einer anfangs schwachen Form von Anthropomorphismus, also dem
Zusprechen menschlicher Eigenschaften, hin zu einer sehr starken
anthropomorphen Vorstellung Gottes. Gott hat einen Körper wie wir, lebt als
Mann-Frau-Paar mit Kindern, die sie zeugen usw. Andere Christen haben ja ein
sehr viel metaphysischeres Bild, wonach Gott eher als Energie und Macht oder
Liebe verstanden wird. Im Mormonentum wurden nun aber beide Ideen kombiniert.
Somit soll Gott sowohl auf einen bestimmten Ort begrenzt und gleichzeitig im
ganzen Universum präsent sein.
Wir glauben daher eine Vorstellung davon zu haben, wenn wir
über Gott als Person oder Vater sprechen. Tatsächlich haben wir aber nicht
ansatzweise eine Idee davon, was es bedeutet, dass Gott unser Vater sein soll.
Wir können hier nur auf Vergleiche zu irdischem Vatersein zurückgreifen, was
allerdings vollkommen absurd ist. Letztlich müssen wir zugeben, dass wir
eigentlich nichts über das Wesen wissen, was wir anbeten und verehren.
Was ist denn ein auferstandener Körper, in dem kein Blut
fließt sondern irgendwelches Geistzeugs. Und warum soll der so aussehen wie der
unsere mit ebenso reduzierter Körperbehaarung, fünf Fingern, gekrümmtem
Rückgrat usw. Alle Aspekte, die wir wunderbar evolutionär erklären können,
sollen uns in der Ewigkeit begleiten, aber ohne den evolutionären Grund und die
irdische Funktion? Warum benötigt Gott beispielsweise einen ähnlich geformten
Kiefer wie wir oder Fingernägel?
Oder auf einer abstrakteren Ebene, wie kann er sowohl ewig
und unveränderlich und gleichzeitig erschaffen worden sein und an Herrlichkeit
zunehmen? Wie kann er alles durchdringen und an einem Ort sein? Alles mit
Energie und Licht erfüllen, allmächtig sein usw.? Klingt doch sehr nach
metaphysischer Spekulation und reinen Worthülsen (Intelligenzen, Geistkinder, Materie, Licht Christi…).
Ein anderer Aspekt ist die in unseren Intelligenzen gegebene Natur des Bösen. Um zu erklären, warum es das Böse in der Welt gibt, obwohl Gott ja nur gut ist, weisen ja Mormonen darauf hin, dass Gott nichts für die Intelligenzen, also sozusagen unser Rohmaterial, kann. Nur dadurch, dass Gott uns hier auf der Erde prüft und Erfahrungen sammeln lässt, kann er unsere vermeintlich böse Natur zum puren Gutsein verändern. Demnach muss jedoch auch in Gott eine ursprünglich böse Natur schlummern bzw. vorhanden gewesen sein.
Woher wissen wir eigentlich, dass Gott - sofern es ihn tatsächlich gibt - nicht auch ein wenig böse und unvollkommen ist? So richtig super erscheint sein Plan der Erlösung ja nicht, wenn schon einmal ein Drittel dem Rivalen Satan folgen. Wobei schon komisch ist, dass sich das Böse in seiner Gegenwart so ausbreiten konnte und dass seine Stimme und Rat von so vielen ungehört blieb und sie sich sogar dagegen auflehnten. Zumindest kann man logisch nicht ausschließen, dass Gott fähig ist, ungerecht und lieblos oder auch nur unvollkommen zu handeln.
Und auch in Sachen Erschaffung von Welten und Lebewesen sind effizientere Vorgehensweisen denkbar. Wobei generell die naturwissenschaftliche Erklärung sinniger und wahrscheinlicher klingt. Oder war die Evolution nur Gottes Schöpfungsmethode? Hat er die Evolution etwa nur im Hintergrund irgendwie gesteuert? Oder ist er mal hier und da direkt eingeschritten etwa als es darum ging, den Mensch zu schaffen? Und wann genau betritt der Geist den menschlichen Körper? Mit der Zeugung, kurz vor der Geburt oder irgendwann dazwischen? Und wie ist der Zusammenhang zwischen Geist und Gehirnvorgängen? Und wie konnte Gott durch Maria einen Sohn zeugen, der ganz Mensch und ganz Gott sein konnte? Was heißt das überhaupt?
Wäre doch toll, wenn unsere 15 Propheten, Seher und Offenbarer da die eine oder andere Frage beantworten könnten. Aber das ist ja alles nicht wesentlich für unsere Errettung...
Ach, und warum braucht es eigentlich den Heiligen Geist, wenn Gott doch alles durchdringt? Oder kann er doch nicht überall hin mit seinem physischen Körper? Merkwürdig. Und bleibt unsere Mutter im Himmel wirklich nur so im Hintergrund, weil Gott Vater sie nicht dem Spott von Atheisten und Gotteslästern aussetzen will? Sind celestiale Frauen so verletzlich? Oder sind die einfach nur zu beschäftigt mit dem Geistkinderzeugen? Ohne respektlos zu sein, aber wir wissen doch wirklich verdammt wenig über das ganze Gottsein und -getue.