Neulich wurde ich mal wieder nach meinem Status im Hinblick
auf Glaube an Gott gefragt. So richtig wohl fühle ich mich mit keinem der Bezeichnungen,
wobei ich Agnostiker noch problematischer empfinde als Atheist. Warum ist das
so?
Nunja, einerseits hat es damit zu tun, dass Atheismus als
Überzeugung, dass es keinen Gott gibt, verstanden wird. Und dies eben direkt
entgegengesetzt zu Theisten, die an einen Gott glauben. Ich sage aber, dass ich
nicht weiß, dass es keinen Gott gibt, sondern vielmehr die Argumente, die
angeblich für die Existenz eines Gottes sprechen, nicht für ausreichend
überzeugend erachte.
Grundsätzlich gilt,
1. wer die Existenz von etwas behauptet, hat die
Beweispflicht nicht andersherum
2. besondere Behauptung machen auch besondere Belege
erforderlich
3. wenn die Realität einfacher ohne außergewöhnliche
Phänomene erklärt werden kann, sollte man die einfache Erklärung vorziehen (und
keine intellektuellen Verrenkungen machen)
Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Angenommen ich
behaupte, in meinem Garten würden Feen, Elfe und Kobolde leben, so gilt:
1. Niemand muss mir glauben oder darf mir nur widersprechen,
wenn er das Gegenteil belegen kann. Die Grundeinstellung sollte skeptisch, aber
offen für gute Argumente sein.
2. Das Gefühl, dass da Wesen in meinem Garten existieren,
ich des Öfteren von ihnen geträumt habe, mich inspiriert fühle, wenn ich mit
ihnen rede oder der Verweis auf die wundersamen Wachstumskräfte und die
Vielfalt und Wundersamkeit tierischen und pflanzlichen Lebens sind alle nicht
hinreichend, um eine solch fantastische Behauptung glaubhaft zu machen.
3. Natürlich besitzt die Natur eine geradezu magische
Faszination, sei es die meditative Wirkung, die sie haben kann oder auch die
Faszination, dass Bäume etwa über ihre Wurzeln Informationen untereinander
austauschen können. Und auch wenn noch viele Phänomene in der Natur ungeklärt
sind, so erklärt Magie und Feenkraft nichts wirklich und erfordert eher
Rechtfertigungen für ihre Nicht-Aufspürbarkeit.
Der Vergleich von Gott mit Märchenwesen mag für Theisten an
Gotteslästerung grenzen, als ich noch Gläubiger war, hätte ich ihn hingegen aus
zwei Gründen nicht Ernst genommen:
1. Spirituelle Erlebnisse können wahnsinnig intensiv sein
und wir sperren uns gegen die Vorstellung, unser Gehirn könne uns sozusagen
Dinge vorgaukeln. Wir fühlen uns eben als Herr über unser Sein und Handeln,
dabei beherrschen uns unbewusste Vorgänge mehr als wir uns das eingestehen
wollen. Allein Sätze bilden zu können, ist zumeist ein unbewusster Vorgang,
denn nur selten haben wir den ganzen Satz schon im Kopf, wenn wir mit dem Reden
beginnen.
2. Als Gläubiger tendiert man dazu, sich nur mit Material
auseinanderzusetzen, dass seinen eigenen Standpunkt bestätigt. Die Frage, was,
wenn es nicht wahr ist, will man nicht zulassen. Selektiv wählt und behält man
sich nur die bestätigenden Erlebnisse, etwa die Gebete, die „erhört werden“. Und
die Informationen, die aus gläubiger Quelle stammen, sind eben nicht neutral.
Genauso wie der Autoverkäufer nicht objektiv berät und über Schwächen aufklärt,
so hört man auch in der Kirche selten davon, auf welch wackeligen Füßen die
biblischen Geschichten und Berichte stehen. Stattdessen wird geschönt,
verschwiegen und manipuliert.
Insofern ist vielleicht eher der Begriff Skeptiker passend.
Auf jeden Fall sollte man als Feen- oder Gottes-Skeptiker eine Antwort auf die
Frage haben: Was würde dich von der Existenz überzeugen? Genauso sollte sich
der Gläubige eigentlich die Frage stellen: Was würde mich bewegen, meine
Position zu revidieren?
Als Gläubiger habe ich die Möglichkeit des eigenen Irrtums
ausgeschlossen, aber immerhin aktiv nach neuerer Erkenntnis gesucht, auch
kritischer, in der Überzeugung, dass es auf alle Fragen eine Antwort geben
müsse. Weil ich so überzeugt war musste ich ja keine Angst vor Information
haben. Ich müsste nur wahre und falsche Information trennen und nach
Erklärungen für aufkommende Fragen suchen. Irgendwann – nicht wirklich
irgendwann, denn an den Punkt und Auslöser kann ich mich noch sehr gut erinnern
– war der Glaube nicht mehr aufrechtzuerhalten. Dem Realitätscheck konnte er
nicht standhalten. Und das war nicht im Geringsten gewünscht oder beabsichtigt.
Im Gegenteil.
Jetzt aber zum wahren Grund, warum ich mich schwertue, mich
als Atheisten zu bezeichnen. Angenommen es gibt einen Gott, dann stellt sich ja
die Frage: Welcher Gott ist es? Und vielleicht noch wichtiger: Wie ist er, sie
oder es? Und: Was will er (von uns)? Nun nimmt jede Religion mehr oder weniger
für sich in Anspruch, diese Fragen beantworten zu können. Aber eben in nicht
unwesentlichen Teilen in erheblichem Widerspruch zu Gläubigen anderer
Glaubensrichtungen. Und selbst innerhalb der biblischen Tradition haben sich
die Antworten mit der Zeit dramatisch verändert und reflektierten immer auch
den jeweiligen Zeitgeist. So war Gott eben mal sehr kriegerisch, dann, als
Halbgötter angesagt waren, eben genauso einer und so weiter bis hin zur
heutigen Vorstellung, die sich sehr an das moderne Ideal eines Vaters anlehnt –
also liebevoll und fürsorglich und weniger auf Gehorsam und Gottesfurcht
pochend.
Und sollte es eine Person, Macht, Kraft, Energie oder was
auch immer, der/die/das für den ganzen Wahnsinn auf der Welt und im Universum
verantwortlich ist und uns idealerweise auch noch positive Gefühle
entgegenbringt – also so etwas wie elterliche Liebe –, glauben wir dann
wirklich, dass er verehrt werden will, dass man ihm huldigen muss, sich
regelmäßig zu seinen Ehren versammeln und irgendwelche Rituale abhalten muss?
Das würde doch nur ein Egomane verlangen.
Auf jeden Fall scheint es Gott – so es ihn/sie/es denn
gibt – entweder wenig an klaren und
konsistenten Antworten auf die Fragen zu seiner Person und seinem Willen zu
liegen oder er hat ein massives Kommunikationsproblem. Selbst da, wo es angeblich einen sehr direkten
Draht zu Gott gegeben haben soll, war es Gott nicht möglich, Joseph Smith das
mit der Polygamie oder der Bank in Kirtland auszureden. Weder dass die
nordamerikanischen Indianer nichts mit den Protagonisten im Buch Mormon noch,
dass die Freimaurerrituale erst im Mittelalter entstanden sind. Oder dass die
Erde nicht wenige tausend Jahre alt ist, die Aufzeichnungen bei den ägyptischen
Mumien gängige Totentexte enthielten oder Adams Altar wohl kaum noch in
Missouri des 19. Jahrhunderts zu sehen sein kann. Auch Brigham Young konnte er
wohl nicht vermitteln, dass Sklaverei unmenschlich ist und er selber nicht Adam
war. Genauso konnte Gott nicht nachfolgenden Mormonen-Profeten beibringen, dass
die Diskriminierung von Schwarzen nicht okay sei, dass Homosexualität nicht
durch Masturbation verursacht wird oder der Golfkrieg eine Katastrophe werden
würde.
Und das ist ja nur der Anfang der Unsicherheit. Beispielsweise
war lange Zeit bei den Mormonen Geburtenkontrolle verpönt genauso wie
berufstätiges Muttersein. Auf aktuelle Fragen zu Sterbehilfe, Genetik,
Klimawandel, Terrorismus, soziale Ungerechtigkeit usw. hat man auch keine
Antworten. Dummerweise hält sich Gott da sehr zurück und die Tipps von Menschen
aus der Bronzezeit sind da auch nur bedingt hilfreich.
Auch für individuelle moralische Fragen ist Gott, Bibel
& Co. nur eingeschränkt eine Hilfe. Ja, die dem Wanderprediger aus Judäa
zugeschriebenen Aussagen in der Bergpredigt sind schön und gut. Daneben gibt es
aber selbst im Neuen Testament jede Menge moralisch bedenklicher Empfehlungen,
was beispielsweise die Rolle der Frau anbelangt oder den Umgang mit
Familienangehörigen mit divergierenden Glaubensansichten.
Alles in allem liefern Religionen und Gott schlicht und
ergreifend keine wirklich verlässlichen und sich nicht ständig revidierenden Antworten.
Glauben wir ernsthaft, dass Johannes K., geboren 1685 in Hundsdorf im
Westerwald, nur dadurch nach vielen Jahrzehnten ins Paradies gelangt, weil ein
Teenager unter Verwendung der richtigen Formel in einem speziellen Pool unter
Wasser gedrückt wurde?
Für das wahre Leben und die ernsthafte Suche nach einem
erfüllten Leben halte ich Gott und Religion schlicht und ergreifend für
irrelevant. Je nach Religion sogar eher gefährlich und schädlich. Der
Physik-Nobelpreisträger Steven Weinberg hat recht, wenn er sagt: „Ich denke,
dass ein enormer Schaden von der Religion angerichtet wurde - nicht nur im
Namen der Religion, sondern tatsächlich von der Religion."„Religion ist
eine Beleidigung der Menschenwürde. Mit oder ohne sie würden gute Menschen
Gutes tun und böse Menschen Böses. Aber damit gute Menschen Böses tun, dafür
bedarf es der Religion."
Daher bin ich, was meinen Alltag anbetrifft, eher ein Apatheist
(aus dem grieschischen Apathie=Unempfindlichkeite und Theos=Gott) , was ich
einfach mal definiere als: Gottesfragen spielen keine Rolle, sind ohne Belang.
Im Hinblick auf fundamentalistischere Ideologien bin ich in der Tat aus eigener
Erfahrung sehr kritisch. Dass sich die Menschheit in vielerlei
Weltanschauungsfragen nicht großartig gegenüber der Bronzezeit weiterentwickelt
hat, ist erschreckend und in gewisser Art und Weise desilllusionierend. Trotz
Smartphones und Robotern sind wir Menschen letztlich im Kern in Rudeln lebende
Säugetiere mit seit tausenden von Jahren nicht wahnsinnig veränderten Instinkten, Trieben usw.